Stadt der Masken strava1
Geschickt steuerte der Mandolier das Gefährt an den Landesteg und ein Mann aus der Schule, der in einer schmucken Uniform steckte, half zuerst einer Kammerzofe und dann einer eleganten maskierten Person heraus, die nur die Duchessa sein konnte.
»Schnell, lass uns hineingehen!«, sagte Arianna.
»Darf man das denn?«, wunderte sich Lucien. »Werden wir nicht erwischt?«
»Es ist eine öffentliche Auswahl«, sagte Arianna trotzig. »Und sie können sich sicher nicht vorstellen, dass sich jemand dem Verbot widersetzt. Darauf wollte ich mich verlassen. Solange du mit keinem sprichst, passiert uns schon nichts.«
Damit eilte sie über die Brücke und Lucien musst ihr hinterherlaufen.
Die hölzernen Torflügel unter dem Steintor standen in der Tat weit offen und schon bald fand sich Lucien in einem Innenhof wieder, der voller elegant gekleideter Menschen war. Er kam sich in seinen geborgten Sachen etwas schäbig vor, aber keiner beachtete ihn. Am einen Ende des Innenhofes war eine Tribüne aufgebaut, die die Duchessa in diesem Moment erklomm. Sie ließ sich in einem geschnitzten Stuhl nieder. Eine Schlange nervös dreinblickender junger Männer hatte sich rechts neben der Bühne gebildet.
Arianna hatte sich bis in die erste Reihe der Zuschauer durchgekämpft und schien sich nicht mehr zu fürchten erkannt zu werden. Als es Lucien gelungen war, sich zu ihr hindurchzuzwängen, war sie völlig gebannt. Ihre veilchenblauen Augen leuchteten und das Haar hatte sich aus dem Tuch gelöst. Das war es, worauf sie ein Jahr gewartet hatte, und selbst wenn es nicht so geklappt hatte wie geplant – sie war dabei!
Was dort auf der Bühne geschah, wirkte auf Lucien fast wie ein Schönheitswettbewerb. Die jungen Männer wurden einer nach dem anderen vorgeführt, um von der Duchessa in Augenschein genommen zu werden. Sie öffnete zwar nicht gerade ihre Münder und besah sich ihre Zähne, aber es war fast so schlimm. Nach jeder Inspektion sprach die Duchessa mit dem Uniformierten aus der Schule. Die Kandidaten, die kein Glück gehabt hatten, wurden von der Bühne geführt, während die erfolgreichen am hinteren Ende der Bühne aufgereiht wurden und dort etwas dämlich herumstanden.
Es war eindeutig, wo in der Menge sich die Familien der Kandidaten befanden; Stöhnen und Jubel folgte jedem Beschluss. Lucien war sich gar nicht sicher, dass Ariannas Plan geklappt hätte. Keiner schien ohne Anhängerschaft gekommen zu sein. Der Eifer der Familien bewirkte, dass sich die Menge nach vorne bewegte und Lucien und Arianna näher an die Tribüne geschoben wurden.
Plötzlich stand Lucien in erster Reihe, ein paar Meter von der Duchessa entfernt.
Die Schlange hoffnungsvoller zukünftiger Mandoliers ging zu Ende. Der vorletzte der jungen Männer war ziemlich klein und der letzte hatte eindeutig Säbelbeine.
Sie wurden so rasch abgefertigt, dass sich Lucien bereits umwandte, um zu gehen. Doch da ertönte die Stimme der Duchessa: »Der junge Mann dort. Bringt ihn herauf.«
Köpfe fuhren herum, auch der von Lucien. Finger deuteten.
Auf ihn. »Nein, das ist ein Irrtum«, protestierte er. »Ich bin nicht gekommen, um Mandolier zu werden.«
Doch kräftige Hände zogen ihn auf die Bühne. Verzweifelt sah er sich nach Arianna um. Er entdeckte kurz ihr Gesicht, das zornig zu ihm aufblickte. Und dann war sie weg. Er wurde vorwärts in Richtung der Duchessa gestoßen und war plötzlich wie hypnotisiert von ihrer Gegenwart.
Ihre Augen, die durch die Schlitze in ihrer silbernen Schmetterlingsmaske glitzerten, waren veilchenblau, wie die von Arianna. Muss hier wohl häufiger vorkommen, dachte Lucien. Ihre Stimme war tief und schmeichelnd und sie duftete einfach wundervoll. Luciens Mutter trug fast nie Parfüm und ihm wurde ganz schwindelig.
Die Duchessa hielt ihm eine Hand entgegen, eine Gunst, die sie nur einem oder zwei Kandidaten erwiesen hatte. »Sag mir deinen Namen, junger Mann«, bat sie ihn.
»Luciano«, sagte Lucien, denn er erinnerte sich an Ariannas Version.
»Luciano«, wiederholte die Duchessa langsam und ließ die Silben wie einen besonders köstlichen Kuchen auf der Zunge zergehen.
Lucien spürte, wie er errötete. Was hatte Arianna gesagt? Jedermann weiß, was sie mit dem anfängt, der am besten aussieht. Er fühlte sich völlig verloren. Er wollte weder Mandolier werden noch eines der Schoßhündchen der Duchessa. In diesem Augenblick wollte er nur zu Hause sein, umgeben von Dingen, die er verstand. Doch während er das noch
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