Stadt der Schuld
Entsetzen im Gesicht. »Verzeihen Sie, Mrs Havisham, aber ich kann das kaum glauben ... er ... er ist doch so ein liebevoller Mann.«
Diese dumme Pute! Isobel lachte kurz spöttisch auf. »So? Hat er Sie das glauben gemacht? Ja, das glaubte ich auch, als ich ihm das Jawort gab, jung und unerfahren, wie ich war. Doch dann zeigte er bald sein wahres Gesicht!« Sie musste sich nun wirklich das Lachen verbeißen angesichts des Entsetzens der Frau. Doch sie zwang sich weiterhin zu einer todernsten Miene. Langsam knöpfte sie ihre Bluse auf. Zum Glück prangten auf ihren Brüsten noch in schönstem Blau und Violett die Abdrücke, die dieser verdammte Armindale darauf hinterlassen hatte. Mit den wenigen, weitgehend verheilten Überresten der Spuren auf ihren Schenkeln hätte sie weit weniger Eindruck schinden können. Der Erfolg war beachtlich. Meredith Baker schrie laut und sprang auf. »Um Himmels willen! Sie armes Geschöpf! Und das tut Ihnen Horace an? Ich kann es nicht fassen. Oh Gott, das ist einfach unvorstellbar!« Sie war fast einer Ohnmacht nahe.
Isobel knöpfte ihre Bluse sorgsam und bedächtig wieder zu, während die Frau vor ihr vergeblich um Fassung rang. »Und da ist noch etwas, das ich Ihnen sagen muss, Mrs Baker. Mein Mann ist nicht nur ein gewalttätiger Schläger, der sich nicht davor scheut, eine schwache Frau zu quälen. Nein, er schreckt ach nicht davor zurück, sich ohne jede Gnade zu nehmen, was er will. Ich kann Ihnen nur raten, halten Sie sich von ihm fern, wenn Ihnen Ihr Leben oder vor allem das Ihres Mannes etwas wert ist.«
Meredith Baker bebte inzwischen am ganzen Körper. »Was meinen Sie damit, Mrs Havisham?«, wisperte sie.
»Ich meine, was ich sage. Sie sind in Gefahr, genau wie Ihr Ehemann. Halten Sie sich fern von Horace Havisham! Das sage ich Ihnen als leidgeprüfte Ehefrau. Ich will nicht, dass es einer weiteren Frau so ergeht wie mir, verstehen Sie?«
Ihr Gegenüber nickte stumm, zu erschüttert, um noch ein Wort hervorzubringen. Wunderbar!
Isobel stand auf und ging ohne weitere Umschweife zur Für. Der erste Teil ihres Vernichtungsfeldzugs hatte jedenfalls hervorragende Wirkung gezeigt. Nun musste sie nur noch den zweiten in die Tat umsetzen. Es dürfte ihr nicht schwerfallen.
Kapitel 26
Manchester, Mrs Friwells Etablissement
Kapitel 26
Flüstern und verhaltenes Kichern weckten Mary aus dem Schlaf. Verwirrt wischte sie sich die Spuren der Träume aus den Augen und versuchte, sich zu orientieren. Ein schwieriges Unterfangen. Sie lag völlig nackt in weichen Laken auf einem Bett, in dem wohl ihre gesamte Geschwisterschar Platz gefunden hatte. Wo war sie? Doch dann traf sie die Erkenntnis wie ein Schlag. Nein, das war kein schlimmer Traum gewesen! Mr Ashworth hatte sie hierher, in ein Hurenhaus, gebracht und er wollte, dass sie blieb. Schließlich hatte er sogar dafür bezahlt.
»Ist sie wach?« Die harsche Stimme der Besitzerin des Etablissements, die eben hereinkam, ließ die drei Huren, die sie kichernd beobachtet hatten, auseinanderspritzen. Ängstlich richtete sich Mary auf und bedeckte ihre Blöße mit der Zudecke. Ohne Gnade wurde ihr die Decke wieder entzogen. Mrs Friwell ließ abschätzig den Blick über Marys nackten Körper wandern. »Steh auf!«, befahl sie streng. Mary wagte nicht, ihr zu widersprechen. Zitternd erhob sie sich. Die Alte, deren faltige, graue Haut nun in ungeschminktem Zustand ihr fortgeschrittenes Alter verriet, baute sich vor ihr auf und griff grob nach Marys Kinn.
»Mund auf!«
Mary gehorchte. Die Frau fingerte ihr eine Weile im Mund herum. »Hm, die Zähne sind ganz in Ordnung. Krank scheinst du auch nicht zu sein. Und schon recht gut entwickelt. Vierzehn bist du? Nun ja, wollen wir es glauben. Allerdings ...« Sie gab den drei anderen einen Wink. Die kamen, immer noch kichernd, näher. »Jetzt wollen wir mal sehen, ob dir der feine Mr Ashworth nicht schon die Franzosen angehängt hat. Das kann ich hier nicht gebrauchen! Los, hinlegen!«
Mary zögerte. Die Franzosen? Welche Franzosen? Was wollte das Weib nur von ihr? Da sie sich nicht gleich rührte, packten zwei der Frauen sie und zwangen sie zurück aufs Bett. Mary begann sich nun doch zu wehren und presste, da das nichts half, krampfhaft die Beine zusammen. Ihr schwante Übles. Mrs Friwell seufzte theatralisch. »Nun stell dich nicht so an, Mädchen! Mir wird der Laden zugemacht, wenn du dich schon angesteckt hast. Brille!«, fuhr sie die hinter ihr stehende dritte Frau an, die der Alten
Weitere Kostenlose Bücher