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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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ging derweil hinüber zu ihrem Sohn. Jetzt, da sie nebeneinanderstanden, konnte man deutlich die Familienähnlichkeit erkennen. Die Alte richtete ihren Blick ungnädig auf Mary. »Du hast mir innerhalb kürzester Zeit das ganze Haus in Aufruhr gebracht, Mädchen, und nicht nur das. Ich hatte gestern enorme finanzielle Einbußen, ganz abgesehen von dem Schaden, den dein Verwandter da angerichtet hat. Du wirst dich anstrengen müssen, das wieder zu verdienen.«
    »Er ist nicht mein Verwandter«, sagte Mary schnell.
    »Halt's Maul, wenn du nicht gefragt wirst«, schnauzte Friwell junior.
    Mary schwieg erschrocken.
    »Es ist ohnehin sinnlos, es zu leugnen«, fuhr seine Mutter ungerührt fort. »MT Ashworth, mit dem ich gestern leider eine wenig angenehme Unterhaltung zu führen gezwungen war, hat mir gesagt, dass der Mann für dich sorgt und dass du bei ihm und seiner Familie lebst. Also ist er dein Verwandter.«
    Mary presste ängstlich die Lippen zusammen, am besten sagte sie gar nichts mehr. Plötzlich kreischte die Alte unvermittelt los: »Wir wollen ihn haben, verstanden? Keiner dringt hier ein, belästigt meine Kunden, setzt das halbe Haus in Brand und kommt ungeschoren davon. Das schwöre ich dir, so wahr ich Hetty Friwell heiße.« Sie unterstrich ihre Worte, indem sie mit der flachen Hand heftig auf den Tisch schlug. Selbst ihr Sohn zuckte kurz erschrocken zusammen.
    Eine seltsame Mischung aus Panik und Erleichterung machte sich in Mary breit. So hatten sie Aaron immer noch nicht gefunden. Gott sei Dank! Es stand außer Frage, welches Schicksal ihm drohte, wenn sie ihn je kriegen sollten. Der Sohn der Alten spielte demonstrativ mit seinem Messer. Was sollte sie nur tun? Sie würden unweigerlich aus ihr herauspressen, wo die Stantons wohnten. Und Debbie und William und die kleine Mary ... oh Gott, was sollte sie nur tun?
    »St James Road, im ersten Mietshaus an der Ecke«, sagte sie, einer plötzlichen Eingebung folgend. Junior wandte seiner Mutter triumphierend das Gesicht zu. »Ich sagte dir doch, sie wird reden, Ma!«
    »Halt den Mund«, fuhr die Alte ihn unwirsch an. »Du weißt nicht, ob sie lügt.« Langsam kam sie um den Tisch herum und baute sich dicht vor Mary auf. Ihr Gesicht kam dem Marys sehr nahe. »Du weißt, Kleine, dass es dir nicht bekommen wird, wenn du uns anlügst. Dein Mr Ashworth wird dich auch nicht mehr beschützen. Bilde dir das bloß nicht ein. Der hat gestern Abend schließlich einsehen müssen, dass es mein gutes Recht ist, sowohl dich als auch die Anzahlung zu behalten, die er geleistet hat, um wenigstens ein bisschen den Schaden auszugleichen, der mir durch dich und deinen Verwandten entstanden ist. Er war ohnehin nicht sehr erfreut über die ganze Geschichte.« Sie grinste hämisch. »Ich denke nicht, dass er nun noch viel Interesse an dir hat, meinst du nicht auch? Das hat er jedenfalls unmissverständlich deutlich gemacht.« Ihre Nähe bereitete Mary Übelkeit und sie drehte instinktiv den Kopf weg, doch die Alte packte Marys Kinn mit ihren Krallenfingern und zwang sie so, ihr in die Augen zu sehen. »Mein Sohn wird deine Angaben überprüfen. So lange bleibst du hier, mein Täubchen. Und gnade dir Gott, wenn du gelogen hast. Ich fürchte, in dem Fall können wir dich nur noch für das Pack im Kanalviertel einsetzen. Die nehmen auch mit entstellten Huren vorlieb.«
    Dann ging sie zur Tür. Friwell Junior erhob sich ebenfalls und folgte seiner Mutter, doch er ließ es sich nicht nehmen, kichernd mit seinem Messer dicht vor Marys Gesicht herumzufuchteln. »Es wird mir ein Vergnügen sein, mein Amselchen«, sagte er und strich Mary mit der stumpfen Kante der Klinge über die rechte Wange. Dann ließ er von ihr ab und wandte sich im Befehlston an Jenkins, seinen Gefolgsmann. »Du passt auf, dass uns das Vögelchen in der Zwischenzeit nicht ausfliegt. Klar? Es kann eine Weile dauern, bis ich mit den anderen wieder zurück bin. Wenn wir diesen Stanton nicht finden, nehmen wir erst mal sein Weib und sein Balg mit, dann wird er schon aus seinem Loch gekrochen kommen.«
    »Alles klar!«, gab ihr Aufpasser stoisch zurück und verstärkte seinen Griff unnötigerweise. Mary erschauerte. Sie musste sich dringend etwas einfallen lassen. Viel Zeit blieb ihr nicht, bis der widerliche Sohn der Alten den Betrug bemerken würde. In ihrer Not hatte sie einfach ihre frühere Adresse genannt, das feuchte Loch, in dem bis vor Kurzem ihre Familie gehaust hatte. Um keinen Preis würde sie die Wahrheit

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