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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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zum Bäckerladen auf der gegenüberliegenden Straßenseite warf.
    »Was kann ich nun für Sie tun, Sir?« Der ältere der Schreiber bedachte den Besucher mit einem überraschend aufmerksamen, wachen Blick, wie Armindale erst jetzt registrierte.
    »Ich komme aus der Gegend von Southampton«, begann er, dabei um einen leutseligen Gesichtsausdruck bemüht. »Bisher war ich als Angestellter eines Reeders tätig, bin aber durch eine Erbschaft zu etwas Vermögen gekommen.« Die zurechtgelegte Geschichte beherrschte er inzwischen im Schlaf.
    »Dann nehme ich an, Sie wollen sich von Mr Eastman bezüglich der Vermehrung Ihrer finanziellen Mittel beraten lassen? Da sind Sie hier allerdings genau am richtigen Platz. Darf ich fragen, wer Ihnen unser Unternehmen empfohlen hat, Sir?«
    Kurz war Armindale tatsächlich aus dem Konzept gebracht, dann aber sagte er rasch: »Guter Mann, es geht mir nicht direkt um eine Beratung, wie ich schon anmerkte, eher um eine Auskunft!«
    Der Miene des Schreibers wurde augenblicklich sichtlich reservierter. »Sie wünschen also keine Beratung durch Mr Eastman? Nun, wir sind, wie Sie sehen, im Augenblick sehr beschäftigt.«
    Das war sträflich ungeschickt gewesen. Armindale ärgerte sich über sich selbst. Der Mann durfte ihm jetzt nicht vom Haken gehen, also rasch einen neuen Köder ausgeworfen. »Allerdings ist gegen eine weiterführende Beratung durch Mr Eastman gewiss nichts einzuwenden, da ich hörte, dass er auch mit Mr Havisham, dem Abgeordneten und Unternehmer, zusammenarbeitet.«
    Der andere Schreiber blickte auf. »Mr Horace Havisham?«
    Dem Himmel sei Dank, endlich der ersehnte Treffer!
    »Genau dieser! Sehen Sie, man hat mir empfohlen, mein Geld diesem Gentleman anzuvertrauen, da er sich in kurzer Zeit ein beachtliches Vermögen erarbeitet hat und offenbar viel Geschick in seiner Geschäftsführung beweist. Allerdings kenne ich ihn nicht, und da mir das Glück eines solch lukrativen Erbes sicher nur einmal im Leben hold sein wird, möchte ich nicht leichtfertig damit umgehen. Deshalb«, nun kam er endlich wieder in das bereits erprobte Fahrwasser, »habe ich mich aufgemacht, um auf eigene Faust ein paar Erkundigungen über Mr Havisham, vielmehr die Redlichkeit seiner Geschäftsbeziehungen, einzuholen. Schließlich will ein solcher Schritt gut geprüft sein.«
    Der jüngere Schreiber nickte verständnisvoll, doch der ältere wirkte noch misstrauischer als zuvor und warf seinem Kollegen einen unwirschen Blick zu. »Sir, ich muss Ihnen leider sagen, dass selbst wenn Mr Havisham geschäftliche Beziehungen zu Mr Eastman pflegen sollte, wir in keiner Weise befugt sind, darüber eine wie auch immer geartete Auskunft zu erteilen. Diskretion ist das oberste Gebot eines Finanzmaklers und auch seines Personals, das verstehen Sie doch sicher, Sir?«
    »Oh, gewiss! Tja, in diesem Fall ...« Armindale verbeugte sich höflich, als sei er im Begriff sich zu verabschieden, meinte dann aber: »Ihre Verschwiegenheit zeichnet Sie sicher aus, guter Mann. Da fällt mir ein, mit welchen Geschäftszweigen beschäftigt sich Mr Eastman denn? Ich denke, es wäre vielleicht doch sehr sinnvoll, wenn ich ihn morgen noch einmal persönlich aufsuchen würde. Möglicherweise wären meine Geldmittel auch hier in guten Händen, allein schon angesichts Ihrer vorbildlichen Gepflogenheiten bezüglich Ihrer Kundschaft.« Er lächelte gewinnend. Schließlich hatte er jetzt die Information, die er brauchte.
    Der glatzköpfige Mann nickte zögernd. »Ich werde Sie gerne für morgen Vormittag bei Mr Eastman vormerken, Sir. Darf ich um Ihren Namen bitten?«
    Armindale zögerte. »Ahm, Weston, George Weston.« Er griff nach seinem breitkrempigen Bowler, den er beim Hereinkommen abgelegt hatte. »Danke, Mr ...«
    »Fenwick, Bertram Fenwick, Sir.«
    »Es war mir ein Vergnügen, Mr Fenwick.«
    Leichter, mit salzigem Regen vermischter Schneefall rieselte aus dem inzwischen eisgrauen Himmel, als Armindale auf die Straße trat und sich befriedigt umsah. Das war endlich einmal erfolgreich gewesen. Ein gutes Portsmouth Ale war nun gewiss angebracht. War er nicht vorher an einem gemütlichen Pub vorbeigekommen? Die Gegend um Portsmouth war bekannt für ihre süffigen, dunklen Starkbiere – und genau danach stand ihm jetzt der Sinn. Er wollte gerade die Straße überqueren, als ihn ein seltsamer Laut aufhorchen ließ. Ein lüsternes Frauenlachen drang leise durch das geschlossene Fenster über ihm, beantwortet mit dem ziemlich

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