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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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hinter sich zu bringen. Die Haustür öffnete sich ihm, bevor er anklopfen konnte. Schnell schlüpfte er hinein, ehe Tom, der ihn eingelassen hatte, sie hastig wieder verriegelte. »Gott sei Dank, Sir, Sie sind es«, stammelte Tom, sichtlich übernächtigt und mitgenommen, »seit der junge Herr vorgestern verhaftet wurde, geht das schon so. Wir können das Haus nicht mehr verlassen. Es ist schrecklich. Gestern hat man uns bereits ein Fenster eingeworfen. Wir sind alle völlig außer uns, Sir.«
    »Wie geht es Meredith, ich meine, deiner Herrin?«, fragte Horace auf das Höchste besorgt. Das Ganze war noch weit schlimmer, als er es sich auf der rasenden Fahrt nach London ängstlich ausgemalt hatte. Es würde wohl das Beste sein, umgehend um Polizeischutz zu bitten, bevor sich die geifernde Menge da draußen noch gewaltsam Einlass ins Haus verschaffte. Toms Gesichtszüge verzogen sich schmerzlich: »Es geht ihr nicht gut, Mr Havisham. Sie hat sich in das ehemalige Zimmer des alten Herrn zurückgezogen und will weder essen noch schlafen. Die ganze Zeit läuft sie nur rastlos hin und her. Die Köchin meint, wenn sie so weitermacht, wird sie bald ernsthaft krank werden. Sie war ohnehin immer von etwas zarter Gesundheit.«
    »Ich verstehe. Kann ich zu ihr hinaufgehen?«
    Tom zog die Augenbrauen zweifelnd nach oben und zuckte hilflos mit den Schultern. Offenbar wusste keiner mehr im Haus, was zu tun war.
    »Hör zu, Tom, gibt es eine andere Möglichkeit, das Haus zu verlassen, als durch den Vordereingang?«
    »Ja, den Kücheneingang. Aber man wird es trotzdem bemerken, wenn jemand dort hinausgeht, da derjenige doch auf die Straße hinausmuss. Das nächste Gebäude schließt nämlich gleich an die Rückwand des Hauses an.«
    »Ah, das ist nicht gut. Sag, gibt es keine Verbindung zu den Kellerräumen der Nachbarhäuser?«
    »Doch, jetzt wo Sie danach fragen, Sir ... die gibt es, wird aber nicht genutzt. Die Tür ist seit Jahren verriegelt. Ich müsste den Schlüssel erst suchen. Vielleicht weiß die Köchin, wo er ist.«
    »Dann tu das! Ich werde dir ein Schreiben mitgeben. Damit gehst du zur zuständigen Polizeidienststelle. Die müssen diesen Aufstand hier beenden. Sofort!«
    Tom starrte ihn mit großen Augen an. »Wie Sie meinen. Ich hoffe nur, dass die Polizei auch kommt. Der Inspector und seine Leute, die hier waren wegen der Verhaftung, waren nicht gerade sehr höflich, Sir. Der Inspector hat der Herrin schwer zugesetzt, damit sie ihm den Aufenthaltsort des jungen Herrn verrät. Aber sie beharrte darauf, dass es ihre Pflicht als Ehefrau sei zu schweigen. Sie haben ihn dann zwei Tage später aber doch geschnappt, als er ahnungslos auf dem Weg hierher war. Die Herrin war völlig außer sich.«
    Havisham stöhnte gequält auf.
    »Ich gehe jetzt zu ihr hinauf, Tom. Sieh du in der Zwischenzeit zu, dass du diese Tür zum Nachbarkeller aufbekommst.« Er wartete Toms Antwort nicht mehr ab, sondern hastete die Treppe hinauf zum Schlaf- und Arbeitszimmer seines früheren Kontrahenten, das, wie er seit den Besuchen an dessen Krankenlager wusste, im oberen Stockwerk zur Straße hinaus lag. Die Tür war nicht verschlossen. Er klopfte kurz und trat dann ein.
    »Meredith!«
    Sie fuhr mit einem erstickten Schrei herum. »Du?«
    Er eilte auf sie zu, um sie in die Arme zu schließen. Gott, wie sehr er sich danach gesehnt hatte. Doch dann prallte er zurück. Der Schrecken fuhr ihm bis ins Mark.
    Aus ihren tief umschatteten, tränennassen Augen loderte ihm blanker Hass entgegen. Ein entsetzlicher Verdacht bemächtigte sich seiner. »Meredith, du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich hinter dieser Tragödie stecke. Ich schwöre dir ...«
    Sie wich vor ihm zurück. Ihre ganze Gestalt bebte, doch ihre Stimme klang fest. »Was willst du mir schwören, Horace? Welche von deinen Lügen soll ich noch glauben? Ich weiß genau, dass du es bist, dem wir dies hier ...«, sie breitete für einen Moment in einer hilflosen Geste die Hände aus, während von draußen das Geschrei der Leute zu hören war, »zu verdanken haben.«
    Es dauerte einen Augenblick, bis er seine Sprache wiederfand. Er war buchstäblich wie vor den Kopf geschlagen. »Nein! Ganz gewisslich: Nein! Ich verstehe dich nicht, Meredith. Wie kannst du glauben, dass ich dir oder Rupert Schaden zufügen würde? Das würde ich niemals tun! Ich hatte es dir fest versprochen, erinnerst du dich?«
    Plötzlich konnte Meredith ihre Haltung nicht mehr bewahren. Sie brach unvermittelt in Tränen

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