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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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versprochen!«
    »Ja!«
    Stumm saßen sie nebeneinander. Langsam senkte sich die frühwinterliche Dämmerung herab. Es war nicht mehr weit.
    Kurze Zeit später bog die Kutsche in die Great Russell Street ein und hielt vor dem Haus. Bald darauf trat Rupert Baker selbst aus der Tür und kam auf sie zu. Sein Blick war ernst. Meredith eilte ihm als Erste entgegen. Horace sah, wie Rupert Baker seiner Frau sacht die Hand auf den Arm legte und dann langsam den Kopf schüttelte. Sie waren zu spät gekommen. Meredith stieß einen langgezogenen Klagelaut aus und stürzte ins Haus. Havisham eilte ihr nach. Da hielt ihn Rupert an der Schulter fest. »Lassen Sie sie in Ruhe trauern, Mr Havisham. Wir können sonst nichts mehr tun.«
    »Wann starb er?«, fragte Horace bang.
    »Vor vier Stunden. Gestern verlor er schon immer wieder das Bewusstsein.«
    »Vor vier Stunden? Oh Gott!« Horace starrte sein Gegenüber erschrocken an. »Das wird sie mir nie verzeihen.«
    »Was?«
    »Wir erhielten Ihren Brief noch gestern Abend. Ich habe sie dazu überredet, ihn erst heute Morgen zu öffnen. Wir hätten gestern Abend ohnehin nicht mehr aufbrechen können. Das wäre bei den Straßenverhältnissen zu gefährlich gewesen. Ich hielt es für sinnvoller, den Zug von Southampton zu nehmen, aber dann fiel der Morgenzug aus und wir mussten bis zum Mittag warten.«
    »Ah, ich verstehe!«, sagte Rupert Baker und lächelte flüchtig. Dann sah er ihm in die Augen. »Machen Sie sich keine Sorgen, Mr Havisham. Sie hatten vollkommen recht damit, so zu handeln. Ich werde mit ihr sprechen. Sie wird Ihnen gewiss nichts nachtragen.«
    »Kann ich nicht ...?« Horace blickte sehnsüchtig zur geöffneten Haustür hinüber.
    »Nein, lassen Sie es gut sein, Mr Havisham. Sie braucht jetzt etwas Zeit. Das ist sehr schwer für sie, wissen Sie. Sie hing sehr an meinem Vater.«
    Horace nickte traurig. »Ich weiß«, sagte er leise.
    »Ich werde Ihnen eine Nachricht schicken, wann die Beerdigung stattfindet. Ich nehme an, Sie werden teilnehmen wollen.«
    »Ja, gewiss. Ich danke Ihnen, Mr Baker.«
    Der drückte ihm fest die Hand zum Abschied.
    Dann bestieg Horace die Kutsche, die ihn wieder zurück in sein eigenes Haus und zu Isobel bringen würde.

Kapitel 18
    Manchester, 20. November 1840
    Kapitel 18
    Und was habt ihr vor?«, fragte Aaron in die Runde. Für einen Augenblick herrschte Schweigen. Man war sich offensichtlich unsicher, ob er eingeweiht werden sollte. Dann ergriff Bill Atkins das Wort, nicht ohne sich vorher beim zweiten Rädelsführer der Gruppe, John Pickett, mit einem schnellen Blick rückzuversichern.
    »Das ganze Geschwätz nützt doch nichts. Sie reden und reden, aber es wird nichts draus werden. Wir müssen handeln.«
    »Hm«, meinte Aaron zweifelnd, »es sitzen schon genug von uns im Gefängnis. Ihr wisst doch, es braucht nicht viel und man wird verhaftet. Wollt ihr wirklich eine weitere Aktion riskieren? Die Flugblätter waren schon hart an der Grenze.«
    »Glaubst du denn, dass eine neue Petition und Vorträge«, Atkins zerdehnte das Wort in spöttischem Ton und sah ihm dabei herausfordernd in die Augen, »etwas bewirken werden? Die lachen doch nur über uns!«
    »Was bleibt uns sonst übrig? Wenn man uns verhaftet, was wird dann aus unseren Familien? Es ist so schon gefährlich genug«, wandte Aaron ein.
    John Pickett spuckte aus. »Wenn du zu feige bist, Stanton, dann verschwinde. Feiglinge können wir hier nicht gebrauchen«, knurrte er abfällig.
    Aaron sah ihn wütend an. »Feigheit brauchst du mir nun wirklich nicht vorzuwerfen, Pickett. War nicht ich es, der dir neulich die Haut gerettet hat, als die Polizei die Versammlung sprengte?«
    John brummte unwillig, aber dann schwieg er.
    Aaron nahm einen erneuten Anlauf: »Es geht hier nicht um Feigheit, das wisst ihr genauso gut wie ich. John wird bereits als Aufrührer gesucht. Der kann sich nicht mehr blicken lassen und uns anderen wird es nicht besser ergehen.« Aaron wandte sich nun wieder Pickett zu, einem hochgewachsenen, klapperdürren Menschen, der ursprünglich aus dem Norden Englands, aus Yorkshire, stammte und dessen Augen wie Fackeln unterhalb seines wilden, schwarzen Haarschopfs loderten. »Dir kann's ja egal sein, John, du hast keine Familie mehr, um die du dir Sorgen machen musst. Aber einige von uns schon.«
    Der eine oder andere in der Gruppe, die sich frierend im flackernden, gasgespeisten Lichtkreis der Straßenlaterne zusammendrängte, wiegte unsicher den Kopf. Aaron Stanton

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