Stadt der Sterne strava2
gemacht, damit ich die Bezirke überblicke. Es ist eine sehr komplizierte Stadt, nicht?«
»Komplex zumindest«, sagte Paolo, »und zwar nicht nur in Bezug auf den Stadtplan. Bestimmt hat dir Cesare auch von den Rivalitäten zwischen den Bezirken erzählt?«
»Ja, das versuche ich mir auch zu merken«, sagte Georgia.
»Die Chimici machen sich diese Rivalitäten zu Nutze, weißt du«, sagte Paolo.
Sie saßen allein in der gemütlichen Küche. Georgia fragte sich, wo wohl der Rest der Familie war, und Paolo erzählte, dass Teresa mit den Kindern ihre Eltern im Bezirk der Löwin besuchte. Ohne sie war es so unnatürlich still. Und Georgia war zu schüchtern, um nach den Besuchern aus Bellezza zu fragen.
»Sie haben gestern gesagt, dass es vielleicht an der Zeit ist, die alten Feindseligkeiten zu begraben«, sagte sie jetzt. »Finden Sie es in Ordnung, dass wir uns mit den Söhnen des Herzogs angefreundet haben?«
»Ich denke schon. Ich glaube nicht, dass sie euch ausbeuten wollen.«
Er sah sie eindringlich an und sie erkannte, dass dieser breite, kräftige Mann mit den zupackenden Händen wahrscheinlich ebenso scharfsinnig war wie Herzog Niccolò selbst.
»Ich muss Ihnen was erzählen«, sagte Georgia. »Die beiden – Gaetano und Falco
– wissen über mich Bescheid. Und über Luciano auch. Er hat es zugegeben. Aber nur weil ich so dumm war und mich zuerst verplappert habe«, setzte sie gerechterweise hinzu.
Paolo sah nachdenklich aus. »Und was werden sie deiner Meinung nach mit dem Wissen anstellen?«, fragte er.
»Ich bin sicher, dass sie es ihrem Vater nicht sagen«, erklärte sie rasch. »Sie haben feierlich gelobt es nicht zu tun – bei ihren Waffen haben sie das geschworen und Luciano musste ihr Blut mit den Lippen berühren.« Beim Gedanken daran schüttelte sie sich etwas.
»Dann hast du bestimmt Recht. Aber wir müssen abwarten, was sie sonst mit dem Wissen anstellen.«
Etwas hinderte Georgia daran, Paolo zu erzählen, dass Falco es dazu benutzen wollte, in ihre Welt zu gelangen. Und in den Tagen, die folgten, fragte sie sich häufig, ob es wohl besser gewesen wäre, ihn einzuweihen. Doch jetzt fand sie es noch zu früh. Es war ja noch nichts endgültig beschlossen.
Doch Paolo wollte über etwas anderes reden. »Die Dinge mit den Chimici spitzen sich zu«, sagte er. »Sie haben in allen nördlichen Städten das Sagen, mit Ausnahme einiger weniger. Bellezza widersteht noch, wie du weißt, und das ist einer der Gründe, warum der Herzog die junge Duchessa zur Stellata eingeladen hat.
Wir wissen nicht so recht, was er vorhat, und sie wird gut von ihren Freunden bewacht werden, aber wir müssen alle auf der Hut sein. Er wird wohl vorhaben die junge Frau davon zu überzeugen, dass es weise ist, die zwei Familien zusammenzuführen.«
»Und sie ist aber nicht beeinflussbar?«, fragte Georgia. Hier lag ihre Chance, mehr über das Mädchen herauszufinden, während Lucien nicht anwesend war.
»Wohl kaum«, sagte der Stallmeister lächelnd. »Ich halte es für unwahrscheinlich, dass eine Tochter von Duchessa Silvia und von Rodolfo, einem der Größten unserer Bruderschaft, etwas anderes sein kann als starrköpfig und schlau.«
»Kennen Sie sie?«, fragte Georgia.
»Nein, aber ich kenne ihre Eltern«, erwiderte Paolo. »Und der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, wie wir hier in Talia sagen.«
»Bei uns sagt man das auch.« Georgia wurde zum ersten Mal klar, was der Ausdruck bedeutete. Von einem Apfelbaum fielen keine Aprikosen; Kinder waren ihren Eltern ähnlich. Sie kam sich allerdings nicht sehr wie Maura vor. Maura konnte nicht einmal Pferde besonders leiden. Vielleicht ähnelte sie darin ihrem Vater, den sie ja kaum gekannt hatte. Und was war mit Russell? Sein Vater war doch ganz in Ordnung – vielleicht war seine Mutter ganz schrecklich gewesen? Aber vielleicht hatte es auch etwas damit zu tun, wie er aufgewachsen war.
Georgia war plötzlich verwirrt. »Was meinen Sie, warum ich hier bin?«, fragte sie jetzt.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Paolo. »Wir wissen nie, wen der Talisman findet, wenn wir einen mit in die andere Welt nehmen, und wir wissen auch nicht, was der Gefundene machen soll. Rodolfo war der Ansicht, dass Luciano vielleicht hergebracht wurde, um die Duchessa zu retten, aber er hat einen hohen Preis dafür bezahlt, wie du vielleicht weißt.«
Georgia nickte. »Aber ich dachte, er hat sie dann doch nicht retten können? Die Chimici haben sie doch umgebracht, oder?«
Die
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