Stadt der Sterne strava2
Stadt, wo jedes Jahr so ein besonderes Pferderennen stattfindet?«, fragte sie. Zu ihrer Überraschung bejahte er. »Meinst du Siena? Da gibt es jeden Sommer ein Rennen, das Palio heißt – zwei, glaube ich, um genau zu sein. Und wenn es irgendwo Rivalität gibt, dann dort!«
»Erzählen Sie mir bitte mehr von dem Palio«, bat ihn Georgia.
»Also, Siena liegt in der Toskana, nicht weit von der Gegend entfernt, wo dein kleines Pferd herstammen muss. Die Stadt ist in viele Abschnitte aufgeteilt –
siebzehn, soviel ich weiß – und das Rennen findet um eine Art Piazza mitten im
Zentrum statt. Diese Tradition reicht viele Jahrhunderte zurück und die Stadt sieht sehr mittelalterlich aus. Fast keine Autos, enge Gassen, kaum moderne Gebäude, zumindest nicht in der Innenstadt.«
Das ist es, dachte Georgia. Wenn Luciens Bellezza wie Venedig aussieht, dann muss Remora Siena sein. »Waren Sie schon dort?«, fragte sie. »Beim Palio?
Nein«, erwiderte Mr Goldsmith. »Aber in Siena war ich schön öfters. Eine wunderschöne Stadt. Sie würde dir auch gefallen, wenn du Pferde magst.« Und schon redeten sie übers Reiten und Georgia erzählte ihm vom Reitstall und von Jean. Sie war viel besserer Laune als sie den Laden verließ. Als er daher sagte:
»Auf Wiedersehen und viel Glück mit deinen Feinden«, brauchte sie einen Moment, um sich zu erinnern, wie ihr Gespräch eigentlich angefangen hatte. Und erst, als sie beinahe zu Hause war, fiel ihr ein, dass sie ja gar nicht erzählt hatte, dass sie einen Feind hatte. Sie lächelte. Mr Goldsmith war auf jeden Fall ein Freund.
Diego freute sich seinen neuen Freund Enrico zu treffen. Seine derzeitige Aufgabe war so langweilig. Eigentlich war er es gewohnt, den ganzen Tag auf den Beinen zu sein, vorzugsweise im Freien, Pferde zu versorgen, sie zu reiten, sie manchmal in die Stadt oder auf weiter weg gelegene Weiden zu bringen. Doch zur Zeit verbrachte er die meiste Zeit damit, das kleine Wunder zu bewachen.
Das konnte ja nichts dafür. Er mochte das kleine schwarze Fohlen sehr. Und es war ja auch etwas Wunderbares – da gab es keinen Zweifel. Aber er konnte nicht einsehen, warum man so ein Geheimnis aus der Kleinen machen musste.
Diego stammte nicht aus Remora; er war in Santa Fina geboren und aufgewachsen. Er hatte die Stellata als Junge wohl ein paar Mal gesehen, aber die Stadtpolitik interessierte ihn nicht. Ihm gefielen längere Pferderennen, bei denen es geradeaus ging und man auf den Ausgang Wetten abschließen konnte. Für die Art der Remaner hatte er nichts übrig. Alles auszuhandeln und vorherzubestimmen –
das machte es ja für einen gewöhnlichen Burschen unmöglich, gewinnen zu können.
Enrico stimmte ihm zu. »Die sind doch alle verrückt da unten in der Stadt«, sagte er in freundlichem Plauderton und machte es sich neben Diego auf dem Heuballen bequem. »Und so verschlossen«, fügte er mit einem kurzen Seitenblick auf den Stallknecht hinzu.
»Das ist typisch remanisch«, sagte Diego und nickte. »Die würden noch ihre eigene Mutter verleugnen, wenn sie könnten. Damit ihre Rivalen nicht von dieser Information profitieren.«
»Sind sie wirklich allesamt so schlimm?«, fragte Enrico. »Oder sind manche schlimmer als andere? Wie steht’s zum Beispiel mit dem Widder?«
»Tja, der Widder!«, sagte Diego geheimnisvoll und tippte sich an den Nasenflügel. »Darüber könnte ich dir einiges erzählen.«
»Ach, mach es doch«, sagte Enrico. »Es würde mir meinen Herrn vom Hals schaffen. Er ist überzeugt, dass sie bei der diesjährigen Stellata einen Trumpf im Ärmel haben.«
Diego zögerte. Dann zuckte er mit den Achseln. Das versteckte Fohlen konnte ja nichts mit dem Rennen zu tun haben. Obwohl es schneller wuchs als jedes normale Fohlen und zum Rennen groß genug sein würde, würde man dem Reiter des Widders niemals ein geflügeltes Pferd erlauben. Was konnte es also schon ausmachen, seinem neuen Freund davon zu erzählen?
»Die haben allerdings ein Ass im Ärmel«, sagte er.
Bei Georgias nächstem Besuch in den Stallungen des Widders war von Cesare und Lucien nichts zu sehen, doch Paolo erwartete sie.
»Wir müssen darüber reden, warum du hier bist«, sagte er und führte sie ins Wohnhaus. »Und über unsere Bruderschaft. Wie findest du dich in Remora zurecht?«
»Gut, danke«, sagte Georgia. »Also, es gibt noch eine Menge Sachen, die ich nicht verstehe. Aber Cesare hat mir das meiste gut erklärt und daheim habe ich mir eine Art Stadtplan
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