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Stadt der Toten

Stadt der Toten

Titel: Stadt der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Keene
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SECHS
    D er alte Mann nippte in der Dunkelheit Wein und schaute hinaus auf seine Stadt. Sie schwärte unter ihm wie eine offene Wunde– entzündet und angeschwollen, voller Eiterbeulen und Krebszellen, die sich ins Unendliche vermehrten. Seine Stadt, New York City, war tot und doch lebendig. Lebendig nicht durch die vor sich hinschlurfenden, fauligen Kreaturen tief unter ihm, sondern durch die Menschen, die er gerettet hatte und die sich nun hier im Turm verschanzten.
    In seinem Turm.
    Seine Herde.
    Ein stiller Luftzug hinter ihm brachte die Flamme der Kerze zum Tänzeln und deutete darauf hin, dass jemand den Raum betreten hatte. Da er wusste, wie imposant er aussehen musste, während er dastand und sein Umriss sich vor der Skyline der verfallenden Stadt abzeichnete, drehte er sich nicht um. Der äußere Anschein war wichtig. Er vermittelte eine Illusion, und jegliche Macht basierte auf Illusionen.
    In der Tür hinter ihm räusperte sich Bates. Lächelnd betrachtete der alte Mann im Fenster das Spiegelbild seines Vertrauten. Bates hatte ihm gut gedient, schon bevor… all das begann. Und er würde es weiterhin tun– solange der alte Mann die Illusion aufrechterhielt, alles unter Kontrolle zu haben.
    Â» Mr. Ramsey? Sir? «
    Mit geheuchelter Überraschung drehte Ramsey sich um.
    Â» Ah, Bates. Kommen Sie rein. Ich habe gar nicht bemerkt, dass Sie dort stehen. «
    Â» Ja, Sir, Sie schienen mir in Gedanken verloren. «
    Â» Hmmm, ja. Stimmt. Das war ich wohl. Ich habe über diese Kreaturen nachgedacht. Ich vermute, Sie wissen, dass wir festgestellt haben, dass eine andere Wesenheit den Körper nach dessen Tod übernimmt und so wiederbelebt? «
    Bates nickte. » Ja, Sir. Dr. Maynard hat es recht verständlich erklärt. Trotzdem scheint es unmöglich, nicht wahr? «
    Â» In der Tat. Mir kommt es wie etwas aus einem alten Schundroman vor. Aber genau das geschieht. Der einzige Beweis, den man braucht, ist ein Spaziergang vor dem Turm. «
    Â» Ich denke, darauf verzichte ich, Sir. «
    Â» Ach, hören Sie auf « , zog Ramsey ihn auf. » Ein Mann Ihrer Fähigkeiten scheut sich aus Angst vor Straßenräubern, durch die Stadt zu gehen? «
    Â» Es sind nicht die Straßenräuber, die wir fürchten müssen, Sir. Vielmehr das, was aus ihnen geworden ist. «
    Ramsey kicherte und trank einen weiteren Schluck Wein. Dann bot er Bates ein Glas an, der jedoch ablehnte.
    Â» Besser nicht, Sir. Wir haben noch eine lange Nacht vor uns. «
    Â» Ich bestehe darauf. Genießen Sie ihn, solange es noch möglich ist. Es dürfte eine ganze Weile dauern, bis wir wieder Importe aus Frankreich erhalten. «
    Sein leises Lachen hallte über die gedämpften Töne von Vivaldis » Vier Jahreszeiten « . Er schenkte ein zweites Glas ein und reichte es seinem Leibwächter. Bates nahm es entgegen und nippte pflichtbewusst daran.
    Â» Danke, Sir. Ein hervorragender Wein. «
    Â» Und ob. «
    Ramsey musterte den Leibwächter. Selbst nach all den Jahren war ihm der elegant gekleidete Bates mit dem schwarzen, zu einem Zopf gebundenen Haar, das ihm auf den Rücken hinabhing, immer noch ein Rätsel. Zwei Dienstzeiten bei der 24. Marine-Spezialeinheit, gefolgt von einer weiteren bei den Navy Seals. Nach der Rückkehr in die zivile Welt hatte Bates sein eigenes privates Sicherheitsunternehmen gegründet, das Dutzende der reichsten und populärsten Rockstars, Sportler und Schauspieler zu seiner Kundschaft zählte. Dann hatte Ramsey ihn exklusiv angeheuert. Fast zwölf Jahre hatte er für Ramsey gearbeitet. Nun brachte er als sein Sicherheitsleiter Investmentbanker, Fastfoodköche und Kanzleimitarbeiter in Form, um die Lücken in den Rängen des Sicherheitspersonals zu schließen. Bates war loyal, und Ramsey vertraute ihm blind jedes Detail seines Imperiums an. Schließlich lag sein Leben in Bates Händen. Doch so zuvorkommend und höflich Bates auch war, es gab Gelegenheiten, bei denen Ramsey den ausgeprägten Eindruck hatte, in die Augen einer Schlange statt in die eines Menschen zu blicken. Auch jetzt, als Bates an dem ihm angebotenen Wein nippte und in den nächtlichen Himmel hinausstarrte, vermittelte er diesen Eindruck.
    Â» Eine Zigarre? «
    Â» Nein danke, Sir. «
    Â» Na gut. Wie Sie wollen. Aber ich glaube, wir werden auch keinen weiteren Nachschub aus Kuba bekommen. «
    Ramsey zündete

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