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Stadt des Schweigens

Stadt des Schweigens

Titel: Stadt des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margret Krätzig Erica Spindler
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und lachte schließlich. Die anderen verstanden das nicht. Er hatte seine Augen überall. Während seine Generäle noch herumtuschelten, wusste er bereits alles. Glaubten die wirklich, er merke nicht, wie sie flüsternd verstohlene, wissende Blicke tauschten und Pläne schmiedeten?
    Offenbar nahm die Zahl seiner Gegner zu.
    Wut kochte in ihm hoch. Seine engsten Vertrauten wandten sich gegen ihn. Diejenigen, die ihn unterstützen, ja lieben sollten, planten seinen Sturz. Er hatte sein Leben für sie gegeben. Seine Taten, die Risiken, die er einging, das alles tat er nur, um ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen. Er hatte alles nur für sie getan.
    War es zu viel verlangt, wenn er als Gegenleistung absolute Loyalität erwartete?
    Er verengte die Augen. Offenbar ja, und das würde sie teuer zu stehen kommen.
    Das hier war seine Stadt. Er war ihr Anführer. Nichts und niemand würde das ändern. Keine Gwen Lancaster und keine Avery Chauvin.
    Heute Abend hatte er aus der Deckung heraus beobachtet, dass beide Frauen eine unheilige Allianz gebildet hatten. Eine der Lieblingstöchter von Cypress Springs entpuppte sich als Verräterin.
    Trauer durchdrang seinen Panzer wie ein scharfer Speer. Doch er verdrängte den Wunsch, die Arme wieder zu öffnen und zu verzeihen. Solche Gefühle waren etwas für Schwache, und schwach war er nicht.
    Sein Instinkt riet ihm, Gwen Lancaster rasch zum Schweigen zu bringen, ehe sie noch mehr Schaden anrichten konnte. Doch es gab Regeln, die befolgt werden mussten, ein bewährtes System, das er nicht aufgeben durfte. Es bewusst zu ignorieren, bedeutete Anarchie.
    Eine schlechte Frucht genügte, um die Ernte zu verderben, ein fehlgeleiteter Mensch, und das Gemeinwesen würde untergehen.
    Woran lag es, dass nur er solche Entschlossenheit zeigte? Warum war er mit dieser absolut klaren Vision ausgestattet, dem absoluten Wissen? Weil er der geborene Führer war und anderen den Weg zeigen musste.
    Es war ein einsamer Weg. Er hätte diese Gabe, diese Berufung gern abgelegt. Aber wie könnte er? Jeden Tag, wenn er die Augen öffnete, sah er die Wahrheit.
    Töten machte ihm keinen Spaß. Er hatte gehofft und gebetet, dass jede Warnung ernst genommen wurde. Voller Verachtung verzog er den Mund. Aber diese Leute waren nichts als ignorante Kleingeister.
    Stimmt nicht. Die letzte Tötung war ein Segen gewesen, ein Vergnügen. Die Frau hatte ihm keine Wahl gelassen. Sich mit Fremden zu treffen, Eingeweihte anzurufen, das ging nicht. Sie hatte ihn zum Handeln gezwungen. Schon vor Jahren hätte sie zum Schweigen gebracht werden müssen, aber er hatte sich von anderen umstimmen lassen.
    Ein Fehler. Einer von mehreren der letzten Zeit, die seine Generäle so gern diskutierten und gegen ihn benutzten. Aber durch wen wollten die ihn ersetzen? Durch Blau etwa? Durch Falke?
    Lachhaft. Er würde es ihnen zeigen, und sie würden ihn wieder anerkennen – alle.

40. KAPITEL
    Hunter saß aufrecht im Bett, das Schreien von Kindern im Kopf. Eine Weile konnte er nicht klar denken und sich nicht von dem Albtraum lösen.
    Vor seinem geistigen Auge sah er seinen Wagen außer Kontrolle geraten. Der Zaun brach herunter. Entsetzte Kinder. Nur eines stand wie erstarrt im Weg dieser zweitausend Pfund aus Stahl und Glas.
    Dann war da die Frau, die sich auf das Kind warf und es rettete.
    Er bemerkte, dass Licht durch die Jalousien fiel, und hörte das Brummen der LKWs in der Gasse, die die Waren für den Montagmorgen anlieferten. Sarahs Welpen wimmerten hungrig.
    Hunter lehnte sich über die Bettkante und sah auf die Hündin hinab. Offenbar gab sie sich alle Mühe, das Wimmern ihrer Sprösslinge zu überhören. „He, du wirst angepiepst“, sagte er zu ihr.
    Sie hob den Kopf und sah ihn an.
    „Ich stehe auf, wenn du willst.“
    Sarah betrachtete ihn noch einen Moment und schlug einmal mit dem Schwanz auf. „Ich verstehe das als Ja“, erwiderte er und stand auf.
    Rasch zog er eine Shorts über. Nachdem er sich im Bad fertig gemacht hatte, begab er sich schnurstracks in die Küche. Sarah war schon dort. Eifrig, aber geduldig wartete sie an der Tür. Er nahm die Leine vom Haken, befestigte sie an ihrem Halsband, und sie traten gemeinsam in den warmen Morgen hinaus.
    Das war ihre morgendliche Routine: ein rascher Gang zum nächsten Rasenstück, damit sie alles Nötige erledigte, dann zurück, damit sie ihre Welpen säugen und er seinen Kaffee schlürfen konnte. Später würden sie dann einen längeren Spaziergang machen oder

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