Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadt des Schweigens

Stadt des Schweigens

Titel: Stadt des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margret Krätzig Erica Spindler
Vom Netzwerk:
sie?“
    Buddy sah zu seiner Tochter. „Das ist nicht wahr, Liebes. Hör nicht auf sie. Sie hat einen Schock und ist verwirrt.“
    „Ich bin kein bisschen verwirrt. Du hast alle deine alten Freunde umgebracht. Warum? Hatten sie gedroht, reinen Tisch zu machen? Wollten sie zum FBI gehen, weil ihre Schuldgefühle zu groß geworden waren? Hast du deshalb deinen besten Freund umgebracht, Buddy? Hast du ihn deshalb bewegungsunfähig gemacht, mit Diesel übergossen und …“
    „Nein!“ schrie Lilah auf. „Nein!“
    Buddy ließ den Blick zwischen beiden Frauen hin- und herspringen. „Das ist nicht wahr! Ich habe nichts damit zu tun. Ich könnte niemals …“
    „Du bist mitten in der Nacht zu ihm gegangen. Er hat dir die Tür geöffnet, weil er dir vertraute. Du hast ihn mit einem Elektroschocker bewegungsunfähig gemacht und zur Garage geschleppt. Dort hast du ihn mit Brennstoff übergossen und angezündet!“
    „Nein!“ Buddys Gesicht war aschfahl.
    „Hunter hatte mit alledem nicht das Geringste zu tun. Du hast deinen eigenen Sohn belastet!“
    „Nein! Du musst mir glauben.“
    „Ich kann dir gar nichts mehr glauben – nie mehr.“
    Plötzlich ergab alles einen Sinn: Lilahs Depression und Abhängigkeit. Hunters Bruch mit der Familie. Cherrys Entschlossenheit, die Familie zusammenzuhalten, damit sie nach außen normal und glücklich wirkte.
    „Niemand muss davon erfahren, Avery“, beschwichtigte Buddy mit gesenkter Stimme. „Wir sind eine Familie, wir sind deine Familie. Wir lieben dich.“
    Die aufsteigenden Tränen hinderten sie einen Moment am Sprechen, deshalb schüttelte sie nur den Kopf. Auch sie hatte seine Familie als Verlängerung der eigenen betrachtet. „Das ist vorbei, Buddy.“
    „Wir sind alles, was dir geblieben ist, Avery.“ Er machte einen weiteren Schritt auf sie zu, doch sie wich zurück. „Cypress Springs ist deine Heimat.“
    Er machte noch einen Schritt und hatte sie jetzt in die Ecke gedrängt, wie sie erkannte. Hinter ihr war die Wand. Wenn sie entkommen wollte, musste sie ihn umrennen. Sie versuchte ruhig zu bleiben, damit sie reagieren konnte.
    „Ich brauche die Tagebücher.“ Er streckte eine Hand aus. „Laurie hat mich angerufen. Sie sagte mir, du wärst dort gewesen und hättest dieser Lancaster eine Nachricht hinterlassen.“
    „Einer deiner vielen Spione?“
    „Sie hat sich Sorgen um dich gemacht.“
    „Na klar, ausgerechnet um mich.“
    „Wir lieben dich, Avery“, flüsterte Lilah. „Du gehörst zu uns.“ „Ja“, stimmte Cherry ein. „Gib Dad endlich die Tagebücher, und alles ist okay.“
    Avery ließ den Blick zwischen den dreien hin und her wandern und versuchte, ihre Chancen nüchtern einzuschätzen. Drei gegen eine, davon einer bewaffnet und mit der Statur eines Bären. Lilah schien jedoch kurz vor einem Zusammenbruch zu stehen. Cherry wirkte schockiert und ihre Reaktionen hölzern. Sie schien sich allein darauf zu konzentrieren, ihre Mutter zu stützen.
    Nur Buddy behinderte ihre Flucht. Wenn sie ihn außer Gefecht setzte, könnte sie es schaffen. Aber wie?
    Das Pfefferspray. Sie hatte es noch in der Tasche.
    „Komm schon, kleines Mädchen.“ Er hielt die Hand hin. „Du weißt, wir wollen nur dein Bestes. Das andere ist doch alles längst Vergangenheit. Wir werden eine große, glückliche Familie sein.“
    „Eine Familie“, wiederholte sie mit bebender Stimme. „Du hast Recht.“ Sie schob die Hand in ihre Tasche und schloss die Finger um den Zylinder der Spraydose. Als sie die Hand herauszog, machte sie einen Satz nach vorn und sprühte Buddy direkt in die Augen. Er war geblendet.
    Mit einem Aufschrei taumelte er zurück und schlug beide Hände vor die Augen. Avery rannte an ihm vorbei aus der Küche in den Flur und hörte Lilah und Cherry nach ihr rufen.
    Die Haustür war verschlossen. Sie fingerte an dem Riegel herum, und es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er nachgab und sie auf die Veranda laufen konnte. Erst da wurde ihr bewusst, dass sie keinen Wagen hatte.
    Hinter sich hörte sie die Küchentür auffliegen. Donnernde Schritte folgten.
    Sie rannte los, die Treppe hinunter in den Garten, und blickte zurück. Buddy holte auf und rief nach ihr.
    Scheinwerfer huschten über die dunkle Straße. Avery änderte die Richtung und rannte wild gestikulierend auf den Wagen zu.
    Die weiße Limousine hielt an. Sie riss die Beifahrertür auf.
    „Dem Himmel sei Dank! Können Sie …“ Erstaunt verstummte sie.
    „Steig ein, Avery!“ befahl Matt.

Weitere Kostenlose Bücher