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Stadt des Schweigens

Stadt des Schweigens

Titel: Stadt des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margret Krätzig Erica Spindler
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nichts als ein Traum gewesen. Als wäre ihr Leben in Washington, D.C., noch eine Zukunftsfantasie.
    Dann würde allerdings ihre Mutter noch leben, und der schwere Schlaganfall, den sie erlitten hatte, fände erst in elf Jahren statt. Und ihr Vater …
    Schmerz über den Verlust überwältigte sie erneut. Sie hörte die Stimme ihres Vaters, leicht verzerrt durch den Anrufbeantworter.
    „Avery, Liebes, hier ist Dad. Ich hatte gehofft … ich muss mit dir reden. Ich hatte gehofft …“ Pause. „Da gibt es etwas … ich versuche es später noch mal. Mach’s gut, Kleines.“
    Wenn sie doch nur an den Apparat gegangen wäre. Wenn sie sich nur die Zeit genommen hätte, mit ihm zu reden. Ihr Artikel hätte warten können. Der Kongressabgeordnete, der endlich reden wollte, hätte warten können. Ein paar Minuten. Ein paar Minuten nur, die vielleicht alles verändert hätten.
    Ihre Gedanken eilten zum Morgen danach. Buddy Stevens, Polizeichef von Cypress Springs, ein Freund der Familie und lebenslang der beste Freund ihres Vaters, hatte sie angerufen.
    „Avery, hier ist Buddy. Ich habe … ich habe schlechte Nachrichten, kleines Mädchen. Dein Dad, er ist …“
    Tot. Ihr Dad war tot. In der Zeit zwischen dem Anruf bei ihr und dem nächsten Morgen hatte er sich umgebracht. Er war in die Garage gegangen, hatte sich mit Diesel übergossen und angezündet.
    Wie konntest du so etwas tun, Dad? Warum hast du es getan? Du hast nicht mal gesagt …
    Das kurze Aufheulen einer Polizeisirene unterbrach sie in ihren Gedanken. Avery drehte sich um. Eine Limousine des Bezirkssheriffs von West Feliciana rollte hinter ihren Blazer Geländewagen und hielt an. Ein Officer stieg aus und kam auf sie zu.
    Avery erkannte den großen schlaksigen Mann an Gang und Körperhaltung. Matt Stevens, Freund aus Kindertagen, ihre Flamme in der High School, der Junge, den sie zurückgelassen hatte, um ihren Traum vom Journalismus zu verwirklichen. Seit damals hatte sie Matt nur wenige Male gesehen. Zuletzt bei der Beerdigung ihrer Mutter vor fast einem Jahr. Buddy musste ihm erzählt haben, dass sie kommen würde.
    Grüßend hob sie eine Hand. Immer noch attraktiv, dachte sie, als er näher kam. Immer noch der begehrteste Fang im weiten Umkreis. Aber vielleicht gebührte ihm dieser Titel nicht mehr, denn Matt könnte inzwischen gebunden sein.
    Er blieb mit ernster Miene vor ihr stehen. „Schön, dich zu sehen, Avery.“
    Sie sah ihr Spiegelbild in den Gläsern seiner Sonnenbrille. Sie war kleiner, als eine erwachsene Frau sein sollte, und ihr elfenhaftes Aussehen wurde durch den kurzen Haarschnitt und die großen dunklen Augen noch unterstrichen.
    „Schön, dich zu sehen, Matt.“
    „Das mit deinem Dad tut mir Leid. Ich fühle mich ganz schrecklich, wenn ich dran denke, wie alles gekommen ist. Einfach schrecklich.“
    „Danke. Ich … ich bin dir und Buddy sehr verbunden, dass ihr euch um Dads …“ Die Rührung überwältigte sie, doch sie zwang sich, weiter zu reden. Sie wollte nicht zusammenzubrechen. „… um Dads Überreste gekümmert habt.“
    „Das war das Mindeste, was wir tun konnten.“ Matt wandte kurz den Blick ab und sah sie dann bedrückt wieder an. „Hast du deine Cousins in Denver erreicht?“
    „Ja“, erwiderte sie mit dem Gefühl des Verlorenseins. Ein paar entfernt wohnende Cousins, das war alles, was ihr an Familie geblieben war.
    „Ich habe ihn auch geliebt, Avery. Ich wusste, dass er seit dem Tod deiner Mutter … zu kämpfen hatte, aber ich kann immer noch nicht glauben, dass er es getan hat. Ich denke immer, ich hätte erkennen müssen, wie schlecht es ihm ging. Ich hätte stärker darauf achten müssen, wie er sich fühlte.“
    Tränen stiegen ihr in die Augen und liefen ihr über die Wangen. Ich bin seine Tochter. Ich bin die Schuldige. Ich hätte es erkennen müssen.
    Matt streckte ihr eine Hand hin. „Scheu dich nicht zu weinen, Avery.“
    „Nein, ich habe schon …“ Sie räusperte sich, um Fassung ringend. „Ich muss die … Beisetzung organisieren. Führen die Gallaghers noch …“
    „Ja. Danny hat das Geschäft von seinem Vater übernommen. Er erwartet deinen Anruf. Dad hat ihm gesagt, dass du irgendwann heute eintriffst.“
    Sie deutete zum Polizeiwagen. „Du bist außerhalb deines Zuständigkeitsbereichs.“
    Der Sheriff war für alle nicht zum Stadtgebiet gehörenden Teile des Bezirks zuständig. Die polizeilichen Aufgaben innerhalb der Ortsgrenzen von Cypress Springs hingegen waren Sache des Police

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