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Stadt des Schweigens

Stadt des Schweigens

Titel: Stadt des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margret Krätzig Erica Spindler
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„Beantworte die Frage. Wo warst du gestern zwischen sechzehn und zwanzig Uhr?“
    „Ich habe gearbeitet. Allein. Sarah war bei mir. Sie ist vermutlich keine tolle Alibizeugin, aber immerhin loyaler als die meisten Menschen, Anwesende eingeschlossen.“
    „Warst du noch mal draußen, außer da, wo du Sarah ausgeführt hast?“ „Nein.“
    „Hast du auf dem Spaziergang mit jemandem gesprochen?“ Hunter dachte nach. „Nein.“
    „Hat dich jemand angerufen in der Zeit, der bezeugen könnte, dass du zu Hause warst?“
    Wieder verneinte Hunter. „Aber das macht mich ja auch noch nicht zum Killer, oder?“
    „Es entlastet dich aber auch nicht.“
    Hunter hätte seinem Bruder gern den Ausdruck der Genugtuung vom Gesicht gewischt. „Kann ich gehen?“
    „Noch nicht.“ Matt sah kurz zu seinem Vater. „Du weißt, wie sie umgekommen ist, Hunter?“
    „Natürlich nicht.“
    „Ein scharfer, gezackter Gegenstand wurde wiederholt in ihre Vagina geschoben, besser gerammt.“ Hunter schauderte. „Mein Gott!“
    „Sie verblutete innerlich. Es war ein qualvoller, grässlicher Tod.“ Buddy fügte hinzu: „Hast du eine Ahnung, wer zu so einer Tat fähig wäre?“
    „Ein Psychopath.“
    „Hast du einen Namen, der zu dieser Beschreibung passt, Bruder?“
    „Ich wünschte, ich hätte.“ „Warum?“ fragte Buddy.
    Hunter sah ihn an. „Natürlich, damit du ihn fangen kannst, ehe er noch mehr anrichtet.“
    „Wie nobel“, murmelte Matt vor sich hin. „Was für ein toller Bursche.“
    Hunter stand auf und sah seinen Bruder eindringlich an. „Hast du ein Problem mit mir? Ist diese Stadt zu klein für uns beide?“
    „Und ich dachte immer, ich wäre der Cowboy in der Familie.“
    „Du hast meine Frage nicht beantwortet.“
    „Ich habe ein Problem mit Illoyalität und Feigheit.“
    Hunter lachte freudlos. „Und beides erkennst du bei mir?“
    In Augenblicken wie diesen durchschaute er seinen Bruder völlig. Matt musste immer Recht haben, und alles musste nach seinem Kopf gehen. Er hatte den Löwenanteil der elterlichen Zuwendung bekommen und die Aufmerksamkeit der Mädchen auf sich gelenkt. Er war kein Teamspieler, er musste der Star sein.
    Im Gegensatz zu Matt hatte er selbst nie danach gegiert, im Mittelpunkt zu stehen. Deshalb hatte er ihm gern das Feld überlassen.
    Die Grenze hatte er allerdings gezogen, als Matt ihm das eigenständige Denken untersagen wollte und verlangte, seine Ansichten, Vorlieben und Abneigungen zu teilen. Mehr noch, er hatte von ihm und jedem, der in seinem Dunstkreis bleiben wollte, erwartet, dass er sich seiner Meinungsführerschaft unterordnete.
    „Den Mord hängst du mir nicht an, Matt.“
    „Wie gesagt, ein illoyaler Feigling.“
    „Weil ich nicht mit dir streiten will?“ fragte Hunter. „Oder weil ich damals gegangen bin und mein eigenes Leben gelebt habe? Weil ich dem großartigen Matt Stevens die blinde Gefolgschaft verweigert habe? Ist es das?“
    „Jungs!“
    Dieses eine, mit tiefer Stimme geäußerte Wort genügte, dass Hunter die Beherrschung verlor und kalte Wut in ihm aufstieg. Zahllose Male hatte ihr Vater sie seit der Kindheit so ermahnt.
    Aber damals habe ich mich noch als Teil der Familie gefühlt.
    „Es passt dir nicht, dass ich eigenständig denken kann, was, Matt? Ich bin nicht dein pflichtbewusster kleiner Soldat, und das bringt dich zur Weißglut.“
    „Rede dir das nur ein, Bruderherz.“
    „Wenn du mal aus deinem Schneckenhaus herauskämst, würdest du merken, dass du nicht das Nonplusultra bist, Sheriff Stevens. Aber vielleicht ist genau das ja der Grund, warum du dein Schneckenhaus nicht verlässt.“
    Zornesröte überzog Matts Gesicht. „Du warst immer eifersüchtig auf mich und bist es immer noch, weil ich Avery bekommen habe.“
    „Lass Avery aus dem Spiel.“
    „Sie war immer ein Teil unseres Problems. Du konntest es nicht verkraften, dass sie mich wollte und nicht dich.“
    Hunter sah ihn an und wiederholte ruhig: „Dich wollte? Wenn das stimmt, wo war sie dann all die Jahre? Mir scheint, sie hat dich eben nicht gewollt.“
    Matt machte einen Schritt auf ihn zu, und Hunter ballte die Hände zu Fäusten, bereit zum ersten Schlag.
    Doch ehe es dazu kam, trat Buddy zwischen sie. „Danke, dass du gekommen bist, Hunter. Wir melden uns.“

17. KAPITEL
    Das Büro des Gerichtsmediziners von West Feliciana befand sich in St. Francisville. Als gewählter Beamter bediente Dr. Harris den gesamten Bezirk, einen der kleinsten in Louisiana. Er

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