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Stadt des Schweigens

Stadt des Schweigens

Titel: Stadt des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margret Krätzig Erica Spindler
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zum Büro seines Vaters stand offen, der Raum war jedoch leer. Hunter trat ein. Der Geruch erinnerte ihn an seinen Dad und irgendwie an seine Kindheit.
    Wehmütig dachte er daran, wie er mit Matt unter dem alten Eichenschreibtisch gespielt hatte und wie sie mit offenen Mündern miterlebt hatten, dass ihr Dad einigen Untergebenen die Leviten las. Und er dachte an seinen letzten Besuch hier, als er auf dem Weg ins College gewesen war.
    Er hatte ein letztes Mal versucht, seinem Vater klar zu machen, wie ausgeschlossen und entfremdet er sich von der Familie fühlte.
    „Dad, sag mir, was ich getan habe? Erklär mir einfach, warum ihr mich ausschließt, du und Mom, Matt und Cherry, als würde ich nicht mehr zu euch gehören. Rede mit mir, Dad. Und ich tue alles, um unser Verhältnis zu verbessern.“
    Doch sein Vater hatte keine Zeit für ihn gehabt. Er hatte ihn abgewehrt und so getan, als bilde er sich das alles ein und als ob das Problem ausschließlich in seiner Wahrnehmung läge und nicht in ihrem Verhalten.
    Zornig und gekränkt war er fortgegangen, mit dem festen Vorsatz, es ihnen allen zu zeigen.
    Sein Blick fiel auf den Schreibtisch. Ein Aktenordner mit dem Aufdruck ,Fotos’ lag obenauf.
    Vom Tatort? fragte er sich und ging näher heran.
    Ja, es stimmte, die Akte trug den Namen Elaine St. Claire.
    „Hallo, Sohn.“
    Sohn. Dieses eine ruhig gesprochene Wort wirkte auf ihn wie ein Schlag. Er sah sich zu seinem Vater um. „Dad.“
    Buddy blickte zum Schreibtisch, dann wieder zu Hunter. „Was führt dich heute Morgen her?“
    „Der Mordfall St. Claire.“
    Buddy nickte, ging an seinen Schreibtisch und deutete auf den Sessel davor. „Setz dich.“
    Hunter wäre lieber stehen geblieben, nahm aber trotzdem Platz. „Hier hat sich nichts verändert.“
    Buddy setzte sich in seinen Sessel, der leise quietschte. „Du warst eine Weile nicht hier.“
    „Dreizehn Jahre.“
    Hunter ließ den Blick durch den Raum wandern. Seine Meisterschaftstrophäe aus der Kinderliga war verschwunden, ebenso das Foto gleich vorne auf dem Schreibtisch, das sie beide mit dem preisgekrönten Fisch auf dem Rodeo von Tarpon zeigte. Er schaute rasch über Regale und Wände und machte innerlich Inventur.
    Schließlich sah er Buddy an. „Du hast ein bisschen umdekoriert. Sieht so aus, als hättest du alle Spuren meiner Existenz getilgt.“
    „Du hast uns verlassen, Hunter.“
    „Wirklich? Vielleicht sehe ich das anders.“
    „Wirst du derselben alten Geschichte denn niemals überdrüssig, Bruder?“
    Hunter drehte sich im Sessel um. Er sah, dass Matt in der Tür stand, als gehöre ihm das Büro, und ihm sträubten sich die Nackenhaare. „Du kommst gerade recht zum Familientreffen.“ „Was für ein Glück“, erwiderte Matt.
    „Hunter sagt, er ist wegen der Ermittlungen im Fall St. Claire gekommen.“
    „Tatsächlich?“ Matt kam herein und blieb vor dem Schreibtisch stehen. Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die Platte.
    „Ich habe Sarah gegen Viertel vor sechs ausgeführt. Wir sind unsere normale Route gegangen, und ich habe nichts Ungewöhnliches bemerkt.“
    „Und was ist deine gewöhnliche Route?“
    „Von der Walton zur Maine, um den Platz und zurück.“ Nach einer Pause fuhr er fort: „Ich denke mir, das sie … dass das Opfer zu der Zeit noch nicht dort gelegen haben kann, weil Sarah sonst ein Tänzchen aufgeführt hätte, so wie dann später.“
    „Warum hast du uns das nicht schon gestern Abend erzählt?“ fragte Matt.
    „Du hast nicht danach gefragt, und ich habe erst heute daran gedacht.“
    Matt neigte den Kopf. „Es ist günstig, dass du vorbeigekommen bist. Wir hatten sowieso noch einige Fragen an dich.“
    „An mich?“ Er blickte von Matt zu Buddy und zurück. „Also gut, schießt los.“
    „Kanntest du das Opfer?“
    „Nein.“
    „Hast du den Namen Elaine St. Claire schon gehört?“ „Nicht vor gestern Abend.“
    „Wo warst du gestern zwischen sechzehn Uhr und dem Zeitpunkt, als du uns bei den Gallaghers geholt hast?“ „Ist sie während dieser Zeit gestorben?“
    „Beantworte bitte die Frage.“
    „Du machst Witze.“ Doch er sah ihnen an, dass sie nicht zu Späßen aufgelegt waren. „Bin ich ein Verdächtiger?“
    „Das ist das Standardverfahren der Ermittlungen. Du hast die Leiche entdeckt, das macht dich automatisch zum Verdächtigen.“
    Er stand auf. „Das ist doch Bockmist!“
    „Setz dich, Sohn“, sagte Buddy ruhig und warf Matt einen strafenden Blick zu.

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