Stadt, Land, Kuss
unserer Felder abgeladen«, keucht Chris. »Er hat sich geschnitten. Am Bein«, fügt er hilfsbereit hinzu, obwohl das kaum nötig gewesen wäre. Es ist offensichtlich, woher das ganze Blut stammt. Ich löse das alte Taschentuch, mit dem Chris Freddies Bein abgebunden hat, und drücke stattdessen mit dem Finger die Schlagader ab, woraufhin sich die Blutung zu einem steten Sickern verlangsamt.
Chris dreht sich zu Izzy um. Ihn hat Freddies Unfall genauso mitgenommen wie sie.
»Es tut mir leid, Schatz. Ich hatte nicht gemerkt, dass die Hunde weggelaufen waren. Als ich sie fand, waren Freddie und Meg gerade dabei, die Schafe zusammenzutreiben. Kaum zu glauben, was? Ich habe gepfiffen, sie kamen übers Feld auf mich zu, und dann hat sich Freddie an einer Glasscherbe geschnitten.«
»Das war nicht deine Schuld«, sagt Izzy, die sich vom ersten Schock erholt zu haben scheint, zärtlich. Sie reicht mir einen Tupfer. Ich säubere notdürftig den Bereich um Freddies Wunde und kontrolliere, ob Glasreste darin verblieben sind. Freddie zappelt hin und her – eigentlich ein gutes Zeichen, denn ich habe keine Ahnung, wie viel Blut er inzwischen verloren hat, aber dadurch fängt die Wunde erneut an zu bluten, und helles, arterielles Blut spritzt in hohem Bogen auf meinen Kittel, mein Gesicht und mein Haar.
»Wir sollten ihn lieber so schnell wie möglich narkotisieren«, sage ich, während ich einen Arterienabbinder um Freddies Bein lege, der die Blutung stoppt und mir genügend Zeit gibt, ihm ein Betäubungsmittel zu verabreichen. Izzy hält Freddies Kopf, während Chris und Frances zuschauen. Als Freddie schläft, löst Izzy den Abbinder. Ich klemme die verletzte Arterie ab und tupfe das Blut weg, um das genaue Ausmaß der Verletzung zu begutachten.
»Wie schlimm ist es, Maz?«, will Chris wissen.
»Es wurden ein paar Sehnen durchtrennt«, antworte ich. Freddie ist größer geworden, seit ich ihn zum letzten Mal gesehen habe, aber er ist noch nicht ausgewachsen. »Ich kann noch nicht abschätzen, wie schwierig es wird, sie wieder zusammenzunähen.«
»Ich hoffe, Sie können sie wieder in Ordnung bringen«, sagt Chris. »Gerade als er bewiesen hat, dass er den nötigen Biss hat, um ein richtiger Hütehund zu werden, muss so etwas passieren. Wenn er nur noch auf drei Beinen herumhumpelt, kann ich ihn bei der Arbeit nicht gebrauchen.«
»Aber du behältst ihn doch trotzdem, oder?«, fragt Izzy hastig.
Chris lächelt trocken. »Ein Hund ist wie eine Ehefrau. Das sollte ein Leben lang halten.« Er dreht sich wieder zu mir um. »Ich nehme an, Sie operieren, Maz?«
Ich antworte nicht. Mir ist bewusst, dass Izzy mich abschätzend mustert, als wäge sie Freddies Überlebenschancen ab, sollte ich tatsächlich das Skalpell in die Hand nehmen.
Ich räuspere mich. »Frances, würden Sie bitte Emma anpiepsen. Es wäre mir lieber, wenn sie die Operation übernimmt.« Ich wende mich wieder Izzy zu. »Wenn Ihnen das recht ist.«
»Ja, natürlich«, sagt sie. »Ich bereite den OP-Raum vor.«
»Emma kann nicht operieren«, erklärt Frances. »Sie rennt ständig in den Waschraum.« Sie lächelt. »Ich wusste es. Ich wusste, dass bei ihr etwas Kleines unterwegs ist.«
»Sie meinen, sie ist schwanger?«, hakt Izzy nach.
»Warum sollte sie sonst Berge von Doughnuts in sich hineinstopfen und sich ständig übergeben?«, erwidert Frances triumphierend. »Sie müssen ohne sie weitermachen, Maz.«
»Izzy?«, frage ich.
Izzys runzelt besorgt die Stirn.
»Ich verspreche Ihnen, ich werde sehr vorsichtig sein.«
»Na gut«, willigt sie ein, und ein paar Minuten später liegt Freddie im OP-Raum. Izzy weist Chris an, den Beutel am Narkosegerät im Auge zu behalten, um sicherzustellen, dass Freddie auch weiterhin atmet, während sie selbst hektisch im Raum herumrennt und die nötigen Instrumente zusammensucht.
Ehrlich gesagt macht mich Izzys Anwesenheit nervös. Reiß dich zusammen, ermahne ich mich, als mir der Nadelhalter aus der Hand rutscht und klirrend auf den Boden fällt.
»Der zweite ist gerade im Autoklav«, meint Izzy. »Jetzt müssen Sie improvisieren.«
Chris verändert den Einfallswinkel des Lichts, während ich nach den Enden von Freddies Sehnen suche, die zurückgeglitten sind und sich unter die Haut zurückgezogen haben. Izzy hält das Bein in einer Position, die die Sehnenstümpfe wieder in mein Sichtfeld bringt, sodass ich sie zusammennähen kann. Es dauert eine Weile, und die ganze Zeit über spüre ich Izzys Blick. Ich
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