Stadt, Land, Mord - Granger, A: Stadt, Land, Mord - Mud, Muck and Dead Things
in die Nase.
Als sich die Schatten hoben, sah sie, dass sich außer ihr drei weitere Personen in dem kleinen Raum befanden, der nach ihrem Hinzukommen überfüllt erschien. Da das »Büro« offensichtlich zugleich als Sattelkammer diente, gab es ohnehin kaum freien Raum. Eine der Anwesenden war eine junge Frau ungefähr in Jess’ Alter. Sie war auf eine sehr englische Art attraktiv, auch wenn sie ein leichtes Pferdegesicht hatte. Ihr unordentliches braunes Haar war mit einem Kopftuch zurückgebunden. Außer ihr war noch ein Mann im Raum, den Jess auf Ende dreißig oder Anfang vierzig schätzte. Er lehnte mit verschränkten Armen an der gegenüberliegenden Wand. Er trug Reithosen und Stiefel und einen Pullover über einem karierten Hemd. Er sah nicht aus wie ein gewöhnlicher Kunde, dazu benahm er sich zu sehr, als wäre er zu Hause. Die dritte Person, die Jess am nächsten stand, war eine Frau in unbestimmbarem Alter. Ihr Teint war wettergegerbt, und sie hatte wahrscheinlich kein Gramm überflüssiges Fett am Leib. Ihre Haare waren drahtig und ungekämmt, ihre Kleidung abgetragen. Sie starrte die neu hinzugekommene Jess herrisch an, unübersehbar ungehalten wegen der Störung.
Die jüngere Frau saß hinter einem alten Tisch. Sie wirkte einerseits erleichtert angesichts des neuen Besuchs, andererseits misstrauisch. Die widersprüchlichen Emotionen standen ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
»Was kann ich für Sie tun?«, fragte sie an Jess gewandt. Sie musste Penny Gower sein. Gott sei Dank nicht die drahtige Frau, dachte Jess.
Bevor Jess antworten konnte, stieß sich der Mann grinsend von der Wand ab. »Sie ist von der Polizei«, sagte er. »Hat man dich überfallen, Pen?«
»Polizei?«, mischte sich die drahtige Frau rigoros ein. »Sind Sie etwa wegen diesem Mist auf der Cricket Farm hergekommen?«
Jess ignorierte sie und zog erneut ihren Dienstausweis, um ihn allen zu zeigen. Sie war ein wenig verunsichert, weil sie so schnell erkannt worden war, obendrein, noch bevor sie den Mund geöffnet hatte. Doch es war nicht das erste Mal, und sie nahm an, dass sie sich wohl daran gewöhnen musste. Den meisten ihrer Kollegen in Zivil erging es nicht anders. Abgesehen davon hatten sie nach dem Leichenfund auf der Farm wahrscheinlich damit gerechnet, dass die Polizei früher oder später auftauchen würde.
»Es tut mir leid, wenn ich Sie stören muss, aber könnten wir uns vielleicht kurz unterhalten?«
Der drahtigen Frau gefiel es überhaupt nicht, dass Jess sie ignoriert hatte. Aus dem Augenwinkel bemerkte Jess, wie sie sich aufplusterte und bereit machte zum Angriff.
»Ja, natürlich«, antwortete Penny Gower. An die drahtige Frau gewandt: »Tut mir leid, Selina, ich bin gleich wieder für Sie da. Sobald die Polizei mich nicht mehr braucht.«
»Ha!«, rief die Drahtige finster und marschierte mit einem letzten vernichtenden Blick auf Jess nach draußen. Wahrscheinlich, vermutete Jess, um sich geradewegs beim Chief Constable zu beschweren.
»Ich muss auch los«, sagte der Mann, auch wenn er nicht klang, als meinte er es ernst. Er rührte sich nicht vom Fleck.
»Nein.« Penny streckte die Hand aus, um ihn zurückzuhalten. »Bitte, bleib hier, Andy. Inspector, das hier ist Andrew Ferris, ein Freund. Er war am Freitag ebenfalls hier. Ich nehme doch an, Sie sind hier, um über den Freitag zu reden? Ich bin übrigens Penny Gower.« Sie sah sich um. »Bitte, so nehmen Sie doch Platz. Dort ist ein Stuhl …«
Ferris stieß sich eilfertig von der Wand ab, packte den klapprigen alten Holzstuhl und schob ihn mit einer schwungvollen Bewegung der Besucherin zu. Jess nahm genauso behutsam Platz wie zuvor der arme Mr. Pritchard im Sattel.
»Ich hoffe doch, ich habe keine wichtige Kundin verärgert«, sagte Jess mit einem Kopfnicken in Richtung Hof.
»Ma Foscott?«, entgegnete Ferris grinsend. Er hatte gute Zähne. Er war überhaupt ein gut aussehender Bursche. »Machen Sie sich keine Sorgen deswegen. Sie ist eine alte Streitaxt.«
»Leise!«, zischte Penny. »Sie lauscht wahrscheinlich draußen, Andy. Ihr richtiger Name lautet Selina, Inspector. Selina Foscott. Sie hat das Pony ihrer Tochter bei uns eingestellt.«
Jess rief sich das kleine Mädchen ins Gedächtnis, das fleißig das kräftige Pony gestriegelt hatte.
»Sie war übrigens auch hier am Freitag. Selina und Charlie waren letzte Woche jeden Tag hier.«
Verdammt!, dachte Jess. Ich habe Mrs. Foscott auf die Füße getreten, und jetzt muss ich sie auch noch
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