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Stadt ohne Namen

Stadt ohne Namen

Titel: Stadt ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.P. Lovecraft
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Haare standen zu Berge, während Schatten, grotesker, als man sagen kann, hervorkamen und sich auf den Köpfen niederließen. Und als ich, der nüchterner und mehr wissenschaftlich eingestellt war als die übrigen, zitternd einen Protest von »Schwindel« und »statischer Elektrizität« murmelte, warf Nyarlathotep uns alle hinaus, die schwindelnden Stiegen hinunter, in die feuchten, heißen, verlassenen mitternächtlichen Straßen. Ich schrie laut, ich hätte keine Angst, daß ich nie Angst haben könne; und andere schrien zum Trost mit mir. Wir schworen einander, daß die Stadt genau die gleiche und noch am Leben sei, und als das elektrische Licht schwächer zu werden begann, verfluchten wir die Elektrizitätsgesellschaft immer wieder und lachten über die Grimassen, die wir dabei schnitten.
    Ich glaube, wir fühlten, daß etwas vom grünlichen Mond herunter auf uns einwirke, denn als wir von seinem Licht abhängig wurden, ordneten wir uns in merkwürdig unfreiwillige Marschkolonnen und schienen unseren Bestimmungsort genau zu kennen, obwohl wir nicht wagten, daran zu denken.
    Einmal sahen wir aufs Pflaster und fanden, daß die Platten lose und von Gras verschoben waren, und kaum eine rostige Metallschiene zeigte an, wo die Trambahn gefahren war. Und dann sahen wir einen Trambahnwagen, allein, ohne Fenster, verfallen und beinah auf der Seite liegend. Als wir unsere Blicke über den Horizont schweifen ließen, konnten wir den dritten Turm beim Fluß nicht entdecken und stellten fest, daß die Silhouette des zweiten Turmes am Oberteil ausgenagt war. Dann spalteten wir uns in schmale Kolonnen auf, von denen es jede in eine andere Richtung zu ziehen schien. Eine verschwand in einer schmalen Straße zur Linken und hinterließ nur den Widerhall eines fürchterlichen Klagelautes. Eine andere zog den mit Unkraut bewachsenen Untergrundbahneingang hinab, mit einem heulenden Gelächter. Meine eigene Kolonne zog es aufs offene Land hinaus, und ich fühlte gleich ein Frösteln, an dem nicht der heiße Herbst schuld war, denn als wir auf das dunkle Moor hinausschritten, erblickten wir rund um uns das höllische Mondgeglitzer üblen Schnees. Spurenloser, unerklärlicher Schnee, der nur in eine Richtung gefegt war, wo ein Abgrund gähnte, der durch die glitzernden Wände noch schwärzer wirkte. Die Kolonne schien in der Tat sehr dünn, als sie verträumt in den Abgrund hineinstapfte. Ich blieb zurück, denn der schwarze Spalt in dem grünleuchtenden Schnee war furchtbar, und ich glaubte den Widerhall beunruhigender Klagetöne gehört zu haben, als meine Begleiter verschwanden, aber meine Kraft zum Verweilen war nur gering. Wie angelockt von denen, die vor mir gegangen waren, schwebte ich beinah zwischen die riesigen Schneewächten, zitternd und verschreckt, in den dunklen Abgrund des 129
    Unvorstellbaren. Schreiend wie ein fühlendes Wesen, dumpf delirierend, nur die Götter, die da waren, können es wissen. Ein vergehender, empfindsamer Schatten, der sich in Händen windet, die keine Hände sind, und ich wirbelte blind an schrecklichen Mitternächten verrottender Schöpfungen vorbei, Leichen toter Welten, mit Wunden, welche die Städte waren, Grabeswinde, die an den bleichen Sternen vorbeistreichen und sie fast zum Erlöschen bringen. Hinter den Welten vage Geister schrecklicher Dinge, halb sichtbare Säulen ungeheiligter Tempel, die auf namenlosen Felsen unter dem Raum stehen, und in schwindelerregende Leere über den Sphären von Licht und Finsternis. Und durch diesen abstoßenden Friedhof des Universums gedämpfter, wahnsinnig machender Trommelwirbel und dünnes, monotones Wimmern gotteslästerlicher Flöten aus den undenkbaren, unbeleuchteten Kammern jenseits der Zeit; das abscheuliche Schlagen und Pfeifen zu deren Musik langsam, ungeschickt und absurd die gigantischen, dunklen, letzten Götter tanzen − die blinden, stummen, hirnlosen Zwerge, deren Seele Nyarlathotep ist.
    Das gemiedene Haus
    Selbst das größte Grauen ist selten ohne Ironie. Manchmal liegt sie direkt in der Zusammenstellung der Ereignisse, während sie sich manchmal auf ihre Zufallsposition zwischen Personen und Orten bezieht. Die letzte Spielart wird durch einen Fall in der alten Stadt Providence belegt, wo Edgar Allan Poe in den späten vierziger Jahren während seiner vergeblichen Werbung um die begabte Dichterin Mrs. Whitman, sich häufig aufzuhalten pflegte. Poe stieg für gewöhnlich im Mansion House an der Benefit Street ab − die umbenannte Golden

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