Stadt unter dem Eis
Meinung nach bohren?«
»An der nördlichen oder an der südlichen Wand. Obwohl, bei der P4 eher doch an der Nordwand. Nach weniger als einer halben Meile wird die Bohrmannschaft höchstwahrscheinlich auf den Eingang zu einem Schacht stoßen, der uns dann direkt ins Innere der P4 führt.«
»Was heißt hier höchstwahrscheinlich? Soll ich etwa meine Leute abziehen, um deinem Gefühl zu folgen?«
»Also, wenn die P4 wirklich die Vorlage der Cheopspyramide ist, dann werden wir vermutlich zwei Schächte finden, die von der Mitte der Pyramide nach außen jeweils zur Süd- und zur Nordwand führen. Wenn sich die Ähnlichkeit weiterhin bestätigt, können wir durch diese Schächte in der Hälfte der Zeit ins Innere der P4 vordringen.«
»Und wozu genau sind diese Schächte gut? Wenn es sie überhaupt gibt.«
»Ich habe da so eine Vermutung«, sagte Conrad. »Aber um sicher zu sein, muss ich erst in die P4 rein.«
»Natürlich«, sagte Yeats mürrisch.
»Ich dachte, der Eintrittspreis für die P4 bestand darin, dir etwas zu erzählen, was du nicht schon weißt«, sagte Conrad, als die Sprechanlage summte. »Das habe ich hiermit getan.«
»Das hat alles keine Bedeutung, wenn wir den angeblichen Schacht nicht finden.«
»Wir werden ihn finden«, sagte Conrad. Die Sprechanlage summte wieder.
Ärgerlich stellte Yeats den Bildschirm an. Es war O'Dell aus der Kommandozentrale.
»Was ist los?«
»Eine der Patrouillen ist gerade zurückgekehrt«, sagte O'Dell. »Sieht so aus, als ob Doktor Yeats' kleiner Notruf Aufmerksamkeit erregt hat. Wir haben nämlich Besuch.«
8
Entdeckung plus 24 Tage, 16 Stunden
Die Luftschleuse ging auf, und die eisige Polarluft wehte Schnee herein. Der Schneewolke entstieg eine himmlische Gestalt in einem grünen Goretex-Parka. Noch bevor die pelzbesetzte Kapuze herunterfiel und die Schutzbrille abgenommen wurde, wusste Conrad, wer es war.
»Serena«, sagte er.
Jeder Mensch trug sein eigenes Atlantis in sich, einen Teil seiner Vergangenheit, der verschüttet und für immer verloren war. Serena Serghetti war sein Atlantis, und jetzt war sie plötzlich wieder aufgetaucht.
Einen Augenblick lang sagte Serena nichts, lächelte ihn nur an und sah sich um. Nimrod trottete zu ihr hin und leckte ihre Wollhandschuhe. Der Husky ließ es sich bereitwillig gefallen, dass sie ihn am Ohr kraulte.
Conrad blickte zu Yeats, der schweigend neben ihm stand, und zu den beiden bewaffneten Militärpolizisten hinter Serena. Alle warteten darauf, dass jemand das Schweigen brach.
Schließlich wandte Serena das Wort an Conrad. Zum ersten Mal seit fünf Jahren. »Hast du eine Genehmigung für den Hund?«, fragte sie und streichelte Nimrod.
Conrad sah sie ungläubig an. Vielleicht war er ja zu sehr im Augenblick gefangen, um sie richtig verstanden zu haben. »Für den Hund?«
Serena nickte. »Seit 1993 dürfen Huskys nicht mehr in die Antarktis. Übrigens auch sonst keine Lebewesen. Das schließt dich, Conrad, und deine Freunde hier mit ein.«
Yeats stand mit offenem Mund da. »Ihr beiden kennt euch?«
»Erkennst du sie nicht?«, sagte Conrad. »Das ist Serena Serghetti alias Mutter Erde, ehemalige Spitzen-Sprachwissenschaftlerin des Vatikans und derzeit offizielle Umweltnervensäge.«
»Und du bist ein Blödmann«, sagte Serena heiter und streckte Yeats die Hand hin. »General Yeats, Sie scheinen ja vor Energie nur so zu strotzen. Ganz anders, als Conrad Sie beschrieben hat.«
Conrad sah Yeats an, der die spitze Bemerkung nicht weiter zu beachten schien. »Des Vatikans?«
»Eigentlich bin ich als Abgeordnete der australischen Gesellschaft zur Erhaltung der Antarktis hier und als Ratgeberin des Umweltkomitees der United Nations Antarctica Commission. Laut Artikel vier des Antarktisvertrags, den auch die Vereinigten Staaten unterzeichnet haben, gehört das hiesige Gebiet zu Australien. Die Vertragsmitglieder haben alle Expeditionen zu melden, die in der Antarktis stattfinden. Das gilt auch für Basislager und Militärpersonal samt Ausrüstung. Sie haben Ihre Unternehmungen auf unserem Gebiet nicht bekannt gegeben, General Yeats.«
Conrads Kopf brummte. Er versuchte, ihr rätselhaftes Erscheinen in dieser Eishölle zu begreifen, ganz zu schweigen von dem grotesken Wortwechsel mit seinem Vater über die obskuren Einzelheiten internationalen Rechts.
Yeats räusperte sich. »Artikel vier erkennt zwar an, dass einige Staaten Besitzansprüche erheben, erwähnt aber ausdrücklich, dass diese Besitzansprüche von
Weitere Kostenlose Bücher