Stadtfeind Nr.1
Sorgen?«
Wie aufs Stichwort wird hinter uns das Heulen einer Polizeisirene lauter, einen Augenblick bevor die Blinklichter in meinem Rückspiegel auftauchen. »Erwischt«, sagt Wayne, außer Stande, seine Schadenfreude zu verhehlen. »Scheiße.« Ich bremse scharf. »Ich hoffe, du bist zufrieden.«
Wayne beugt sich vor, um einen Blick in seinen Seitenspiegel zu werfen. »Ich denke, wir können schneller sein als er«, sagt er allen Ernstes mit einem wilden Blick in den Augen.
»Das ist nicht dein Ernst.«
»Komm schon. Lebe ein bisschen.«
Als ich das Tempo drossele, zieht sich Wayne in den Schmollwinkel zurück und starrt aus dem Fenster wie ein gereizter Teenager. »Na schön. Dann eben auf die Tour«, murmelt er.
Ich sehe ihn stirnrunzelnd an, als ich am Straßenrand halte und der Streifenwagen etwa zehn Meter hinter mir zum Stehen kommt. »Es ist Mouse«, sagt Wayne.
»Was?« Ich beuge mich zu ihm hinüber, um im Handschuhfach nach meiner Zulassung zu wühlen.
»Von der Highschool. Mouse Muser.«
»Ausgeschlossen.« Ich schaue in meinen Seitenspiegel, als der Cop auf den Wagen zukommt.
»Leider doch.«
Dave Muser, zu meiner Zeit auf der Bush Falls High der Starting Point Guard für die Cougars, erhielt den Spitznamen Mouse wegen seiner kleinen Statur und seiner frenetischen Art, auf dem Spielfeld umherzusausen und den Ball seinen Teamkollegen zuzuspielen. Normalerweise würde man mit Erleichterung reagieren, wenn man sieht, dass man von einem ehemaligen Klassenkameraden rausgewinkt wird, aber das hier ist offensichtlich keiner dieser Fälle. Mouse war zusammen mit Sean Tallon auf der Highschool maßgeblich an den Schikanen gegen Sammy Haber beteiligt, und in meinem Roman habe ich ihn als wirklich groteske Figur dargestellt, noch kleiner und noch hässlicher, als er ohnehin schon war, eher ein Maskottchen als ein Freund für Sean und seine Spießgesellen. Mouse' Vater war damals der Sheriff, und Mouse ist offensichtlich ins Familienunternehmen eingetreten.
Ich lasse mein Fenster herunter. Aufgrund seiner etwas zu klein geratenen Größe befindet sich Mouse' Gesicht nur wenig über meiner Augenhöhe, und. ein flüchtiger Blick verrät mir, dass er sich in siebzehn Jahren kaum verändert hat. Mit seiner primitiven, vorspringenden Stirn, den schielenden Augen und den Akne vernarbten Wangen lässt Mouse' Gesicht vermuten, dass seine Vorfahren irgendwann in der Vergangenheit vielleicht etwas mehr im Genpool der Familie herumgeschwommen sind, als gut für sie war. »Na, na, na«, sagt er mit einem boshaften Grinsen. »Wen haben wir denn da?«
»Hey, Mouse«, sage ich. »Wie geht's dir denn?«
»Niemand nennt mich mehr so.«
»Entschuldige, äh ... Dave.«
»Für dich Deputy Sheriff Muser«, sagt er, und an der unverhohlenen Feindseligkeit in seiner Stimme gibt es keinen Zweifel. »Hast du annähernd eine Vorstellung davon, wie schnell du gefahren bist?«
»Eigentlich nicht.«
»Hey, Mouse«, ruft Wayne vom Beifahrersitz. »Wie geht's?«
Mouse sieht an mir vorbei und grinst, als er Wayne sieht. »Hey, Wayne«, sagt er, sichtlich unbehaglich. »Ich habe dich nicht gesehen.« Waynes Coming-out war das erste eines ehemaligen Cougars, und seine ehemaligen Teamkameraden hatten ihn mit großem Geschrei gebrandmarkt und gemieden, zweifellos um nur keine Bedenken hinsichtlich ihrer eigenen Neigungen innerhalb des Verbandes aufkommen zu lassen.
»Meinst du, du könntest uns das vielleicht durchgehen lassen, ausnahmsweise?«, sagt Wayne. »Ein letzter Freundschaftsdienst für einen alten Teamkameraden?«
»Wenn du am Steuer gesessen hättest, hätte ich vielleicht darüber nachgedacht«, sagt Mouse mit einem süffisanten Grinsen. »Mit deiner Krankheit und allem.« Er spricht das Wort Krankheit aus, als stünde es in Anführungszeichen, als sei es nicht mehr als ein lächerlicher Euphemismus. »Aber diesem Burschen hier«, sagt er, wobei er angewidert auf mich zeigt, »lassen wir gar nichts durchgehen, weder ich noch sonst irgendjemand in dieser Stadt.« Er richtet sich auf und wendet sich wieder an mich. »Führerschein und Zulassung, bitte.«
Er schlendert zurück zu seinem Wagen, um mich durch seinen Computer laufen zu lassen, zweifellos in der Hoffnung, dass sich der Wagen als gestohlen und mein Führerschein als gefälscht erweist. »Mouse ist Cop geworden«, sagt Wayne lächelnd.
»So viel weiß ich inzwischen«, sagte ich.
Vor uns verlangsamt ein entgegenkommender Lincoln Town Car seine
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