Stadtfeind Nr.1
Fahrgeschwindigkeit bis zum Schneckentempo. Als er an uns vorbeifährt, fährt das getönte Fenster herunter, und ich sehe unwillkürlich in die rabenschwarzen Augen von Coach Dugan. Er starrt mich an, während er vorbeifährt, mit ausdrucksloser Miene, und ich hasse mich wegen der eisigen Angst, die sich in meiner Magengegend breit macht, als wir uns anstarren, wegen des Zitterns meiner Hände, die das leblose Lenkrad umklammern. Obwohl seine Boshaftigkeit in meinem Roman übertriebene Ausmaße angenommen hat, habe ich vergessen, wie mächtig seine Gegenwart in Wirklichkeit sein kann.
Mouse winkt dem Coach beflissen zu, als er vorbeifährt, dann kommt er zurück an mein Fenster und reicht mir zwei Bußgeldbescheide. »Der erste ist für die Geschwindigkeitsüberschreitung. Der zweite ist für das kaputte Rücklicht.«
»Ich habe kein kaputtes Rücklicht«, wende ich ein, noch immer verstört von meinem flüchtigen Blick auf Dugan.
»Und ob du das hast.«
Ich steige aus dem Wagen, und wir gehen ans Heck des Mercedes, wo Mouse einen Schritt vorwärts macht und lässig mit dem Stiefelabsatz in mein linkes Rücklicht tritt. Er grinst zu mir hoch wie ein böser Troll.
Durch mein offenes Wagenfenster kann ich hören, wie sich Wayne halb totlacht.
1986
12
Die Schule fing an, und Waynes und Sammys Beziehung ging in den Untergrund, was mir nur recht
sein konnte, weil es auf diese Weise leichter für mich war, so zu tun, als ob sie nicht existierte. Ich hing noch immer mit ihnen herum, aber sie vermieden es gewissenhaft, sich ohne meine neutralisierende Gegenwart zusammen blicken zu lassen. Nach einer Weile war ich, dank hartnäckig verschlossener Augen, zu der Überzeugung gekommen, dass nach der Schule nichts zwischen ihnen lief, dass die Ereignisse des vergangenen Sommers nur eine flüchtige Verrücktheit waren, die in der grellen Neonwirklichkeit der Highschoolkorridore nicht überleben konnte. Ich verinnerlichte diese neue, bereinigte Fassung der Wirklichkeit mit einem Minimum an Aufwand, da ich mich, um die Wahrheit zu sagen, mit wichtigeren Dingen zu befassen hatte. Nach drei Jahren kümmerlichen Daseins in einer sozialen Ödnis hatte ich meine erste echte Freundin an Land gezogen.
In der hemmungslosen Parade von Titten und Ärschen, die tagtäglich in den Korridoren der Bush Falls High vorbeistolzierte, flog Carly Diamonds stille, hübsche Art im Allgemeinen unter dem Radar. Unaufdringlichkeit ist etwas, wofür männliche Teenager keinen Sinn haben, die auf den ersten Blick gefesselt sind von glatten, schlanken Beinen und festen, runden Gesäßen unter knappen Röcken, von wippenden Brüsten, die sich gegen den Stoff figurbetonter Blusen pressen, von langem, glänzendem Haar und schimmernder Haut. Carlys geschmeidige Gestalt war unter Weit geschnittenen Blusen und ausgebeulten Jeans verborgen, und ihr dichtes, kastanienbraunes Haar kurz und eng anliegend. Die hohen Wangenknochen, die makellose, elfenbeinfarbene Haut und die unvorstellbar runden, haselnussbraunen Augen mit den kleinen gelben Tupfern, die in der Iris funkelten, konnten alle sehen, aber der Gesamteindruck war der, dass Dinge unter Kontrolle gehalten wurden, dass die Schönheit gezügelt und von einer scharfen Intelligenz veredelt wurde. Natürlich sahen die meisten Jungen in unserer Klasse völlig über sie hinweg. Aber ich nicht, was vielleicht die beste Leistung in meiner ganzen Highschoollaufbahn war. Ich besaß keine hervorstechende Begabung, um mich von den dichten Massen abzuheben, hatte nicht diese strategische Besonderheit außerhalb des Lehrplans, die ich meiner Collegebewerbung hätte beifügen können; meine einzige Leistung bestand darin, die ungewöhnliche Weisheit und Voraussicht zu besitzen, Carlys reifere Schönheit zu registrieren, die Leidenschaft und die schwelende Sinnlichkeit hinter ihrer stillen Anmut und ihrem leichten Lächeln zu spüren.
Es begann ganz einfach, weil Carly in jenem Jahr im Klassenzimmer neben mir saß. Wir wurden Morgenkumpel, beiläufige Freunde, die jeden Schultag gemeinsam begannen. Und bald begann ich, den ganzen Tag über immer wieder nach ihr Ausschau zu halten, für das spezielle Lächeln zu leben, das sie mir zuwarf, wenn wir uns in den Korridoren begegneten, und einen seltsamen Besitzanspruch zu empfinden. Ich begann ihr Gesicht zu mustern, wenn sie nicht hinsah, entzückt von der schlichten Vollkommenheit ihrer Züge, der makellosen Oberfläche ihrer seidigen Haut, die ganz ohne Poren zu sein
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