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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
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Körperflüssigkeiten bezog, manisch im Hintergrund hielt, der Schildfisch, der hinter dem Hai schwamm und sich an den treibenden Überresten seines Blutbads gütlich tat. Sammy, mit seiner farbenfrohen Garderobe und seiner Angewohnheit, allein vor sich hin zu singen, wenn er durch die Korridore ging, hätte ebenso gut ein Tattoo mit einer Schießscheibe auf der Stirn tragen können.
    Vor allem Sean hatte eine scharf ausgeprägte sadistische Ader in Bezug auf seine schwächeren Mitschüler, und fast vom ersten Augenblick an nahm er Sammy ins Visier. Kaum eine Woche, nachdem die Schule begonnen hatte, trafen Sean und Mouse auf Sammy, als er sich auf der Jungentoilette seine Tolle zurechtfrisierte. »Sieh mal, wie hübsch«, sagte Mouse. »Bildhübsch«, stimmte Sean zu. »Wir sollten ihn aufhängen.« Sie zogen von hinten am Hosenbund von Sammys Unterwäsche, rissen das Gummiband aus der Baumwolle und zerrten es über seinen Kopf hoch, während Sammy sich vergeblich wehrte. Dieses Aufhängen war ein gängiger Initiationsritus für neue Schüler des ersten Schuljahrs, und einer, an dem Sean im ersten Monat eines neuen Semesters fast täglich gewissenhaft teilnahm. Aber wenn es einen im letzten Schuljahr traf, war es besonders demütigend. Sie ließen Sammy an seinem Gürtel und dem Gummiband seiner Unterhose auf der Toilette am Haken einer Kabinentür hängen. Tränen der Qual und der Frustration liefen ihm übers Gesicht, bis ein Schüler des ersten Jahrgangs, der ihn fälschlicherweise für einen von seinen eigenen Leuten hielt, entdeckte und abschnitt.
    »Was meinst du«, sagte er missmutig, als ich ihn etwas später an diesem Tag in der Cafeteria traf, »weshalb mich solche Typen offenbar immer finden, egal, wohin ich auch gehe?« Ich runzelte mitfühlend die Stirn. Gleichzeitig hatte ich ein schlechtes Gewissen, als würde meine Unfähigkeit, das Unvermeidliche zu verhindern, eine geheime Zusammenarbeit mit Tallon und seinem Team widerspiegeln oder zumindest eine Billigung des zu Grunde liegenden Systems, das Sammy einem solchen Risiko aussetzte.
    »Du hast unsere Arschlöcher in Person kennen gelernt«, sagte ich zu ihm. »Sie haben's auf jeden neuen Jungen abgesehen. Das ist dieses Territorialgehabe, wie Hunde, die in die Gärten pissen. Sie machen ihr Ding, und dann ist es vorbei. Ich würde ihnen einfach aus dem Weg gehen.«
    Sammy sah zu mir hoch, und Tränen traten ihm hinter seiner Brille in die Augen. »Ich bin mein Leben lang den Sean Tallons dieser Welt aus dem Weg gegangen«, sagte er verbittert. »Aber irgendwie scheinen sie mich immer zu finden. Das ist offenbar mein Schicksal.«
    »Das ist doch Blödsinn«, sagte ich.
    Sammy war nicht überzeugt. »Wir werden sehen«, murmelte er.
    Ein paar Tage später zerrte Sean Sammy auf einer überfüllten Toilette mitten beim Pinkeln vom Urinbecken, so-dass er über seine Schuhe und Hose urinierte. »Wenn du unbedingt meinen Schwanz sehen willst, sag's nur«, brüllte Sammy, wie später berichtet wurde, seinen Angreifer an. »Das erspart dir die Mühe und mir das Saubermachen.« Sean war Beleidigungen dieser Art, die sich gegen seinen unanfechtbaren Charakter richteten, eindeutig nicht gewohnt, und Sammy bekam für seine Widerworte eine Faust ins Gesicht und den Kopf in die Toilette getaucht. Tatsächlich kam es Sean bei seinen Angriffen gegen Sammy offenbar fast immer darauf an, ihn bis zu einem gewissen Grad zu entkleiden, aber es sollte noch Jahre dauern, bis ich diese Tatsache als möglicherweise bedeutungsvoll erkennen würde.
    An diesem Nachmittag schwänzten Wayne und ich Geschichte und schlichen uns für eine Zigarette aufs Dach. Es nieselte leicht, ein nebliger Sprühregen, der uns die Gesichter benetzte, als wir uns die Zigaretten ansteckten. »Hast du das mit Sammy gehört?«, sagte ich.
    Wayne nickte stirnrunzelnd, während er den Rauch durch die Nase ausstieß.
    »Du könntest was zu ihnen sagen«, sagte ich. »Auf dich werden sie hören.«
    »Das würde es nur noch schlimmer machen«, sagte er.
    »Das ist doch nur ein Vorwand«, sagte ich, allmählich verärgert. »Wenn sie mich schikanieren würden, würdest du es unterbinden.«
    »Das ist nicht dasselbe«, sagte Wayne defensiv. Er seufzte kläglich und starrte auf die Gewitterwolken, die sich am Horizont zusammenbrauten.
    »Er hat sich das selbst eingebrockt«, sagte er leise. »Warum muss er sich auch benehmen wie eine solche ... Schwuchtel.« Das Wort stieg zwischen uns in die Luft auf,

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