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Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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hat sich nach Mendocino gerettet … aber das haben die Medien rausgefunden, und dann haben sie’s endgültig abgemurkst. Mein Gott … Ich meine, was ist denn heute noch übrig? Das Feeling von 1967 findest du nirgends mehr!«
    Mrs. Madrigal zwinkerte Mary Ann zu. »Du bist ja so still.«
    »Ich weiß nicht recht, ob ich …«
    »Was ist dein Lieblingsjahr?«
    »Ich glaube, ich habe gar keines.«
    »Meines ist 1987«, sagte Mrs. Madrigal. »Dann bin ich fünfundsechzig oder so um den Dreh … Dann kann ich mir meine Rente abholen und genug Geld zur Seite legen, um mir eine kleine griechische Insel zu kaufen.« Sie ringelte sich eine Locke ihres Haars um den Zeigefinger und lächelte sanft. »Das heißt, ich würde mich auch mit einem kleinen Griechen zufriedengeben.«
     
    Als Mary Ann nach dem Essen zur Toilette ging, sah sie sich unterwegs im Schlafzimmer ihrer Vermieterin um. Auf der Frisierkommode entdeckte sie eine Fotografie in einem Silberrahmen.
    Ein junger Mann, ein Soldat, stand neben einem Auto aus den vierziger Jahren. Er war ziemlich hübsch, doch er schien sich in seiner Uniform nicht so recht wohl zu fühlen.
    »Daran siehst du, daß die alte Dame eine Vergangenheit hat.« Mrs. Madrigal stand in der Tür.
    »Oh … ich bin zu neugierig, nicht?«
    Mrs. Madrigal lächelte. »Ich hoffe, das bedeutet, daß wir Freundinnen sind.«
    »Ich …« Mary Ann wandte sich aus Verlegenheit wieder der Fotografie zu. »Ein gutaussehender Mann. Ist das Mr. Madrigal?«
    Die Vermieterin schüttelte den Kopf. »Es gab nie einen Mr. Madrigal.«
    »Ich verstehe.«
    »Das stimmt nicht. Wie solltest du auch? Madrigal ist ein … Deckname heißt es in Gangsterfilmen doch immer. Vor mehr als zehn Jahren habe ich reinen Tisch gemacht, und der alte Name mußte als erstes dran glauben.«
    »Wie hießen Sie früher?«
    »Sei nicht ungezogen. Wenn ich gewollt hätte, daß du das erfährst, hätte ich den Namen ja nicht abgelegt.«
    »Aber …?«
    »Was es mit dem Mrs. auf sich hat?«
    »Ja.«
    »Witwen und Geschiedene werden nicht … wie sagt Mona immer? … angemacht. Wir werden nicht so oft angemacht wie alleinstehende Mädchen. Das muß dir doch inzwischen auch schon klargeworden sein.«
    »Wer wird hier angemacht? Ich habe noch nicht mal einen obszönen Anruf gekriegt, seit ich nach San Francisco gezogen bin. Ehrlich gesagt, täte mir ein bißchen Anmache sogar ganz gut.«
    »Die Stadt ist doch voller reizender junger Männer.«
    »Ja, aber die sind bloß zueinander reizend.«
    Mrs. Madrigal kicherte. »Stimmt, da läuft hier so einiges.«
    »Bei Ihnen hört sich das an, als ginge es um die Grippe. Ich finde es schrecklich deprimierend.«
    »Unsinn. Nimm es als Herausforderung. Wenn eine Frau in dieser Stadt triumphiert, dann ist ihr Triumph total. Du wirst es schon schaffen, meine Liebe. Das dauert eben seine Zeit.«
    »Ja, meinen Sie?«
    »Ich weiß es.« Die Vermieterin zwinkerte und legte Mary Ann den Arm um die Schulter. »Komm, gehen wir jetzt wieder zu diesen Langweilern rüber.«
Das Rendezvous mit Ruby
    Ruby Millers Haus lag an der Ortega Street im Sunset District. Es war ein Bungalow mit grün gestrichener Putzfassade auf manikürtem Rasen und einer Schale mit Plastikrosen im Panoramafenster. Ein in der Einfahrt abgestellter Rambler trug einen Aufkleber mit der Aufforderung: WENN DU JESUS LIEBST, DANN HUPE.
    Edgar parkte den Mercedes auf der anderen Straßenseite. Als er die Tür abschloß, sah er, daß Mrs. Miller ihm vom Fenster aus zuwinkte.
    Er winkte ebenfalls. O Gott! Er fühlte sich wie ein Schuhvertreter, der zu Frauchen nach Hause kam.
    Mrs. Miller schaltete das Licht auf der Veranda ein, nahm ihre Schürze ab und strich sich eine Strähne ihrer grauen Haare aus der Stirn. »Sie sind wirklich eine Augenweide! Was man von mir allerdings nicht behaupten kann … Ich hatte ja nicht vor …«
    »Entschuldigen Sie. Ich hoffe, ich mache Ihnen nicht zu viele Umstände.«
    »Reden Sie keinen Unsinn. Ich fühle mich geschmeichelt.« Sie tätschelte seine Hand und führte ihn ins Haus. »Ernie … sieh mal, wer da ist!«
    Ihr Ehemann saß in einem skandinavischen Sessel und sah fern. Seine Arme waren von der gleichen Konsistenz und Farbe wie Provolone-Käse.
    »Hallo, Mr. Halcyon.« Er stand nicht auf. Die Glotze beanspruchte ihn völlig.
    »Wie steht’s denn so, Ernie?«
    »Bob Parker hat gerade einen Marine mit seiner Liebsten zusammengebracht.«
    »Tut mir leid, ich …«
    »Truth or Consequences. Sie

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