Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten
sich ein Taschentuch vors Gesicht preßte. »Ich kann weinerliche Frauen nicht ausstehen« ,sagte sie.
»Der Schatten weiß Bescheid!«
Der rattengesichtige Mann im Safarianzug drückte sich so nahe an DeDe heran, daß sie die Cherry-Blend-Tabakmischung in seinem Atem riechen konnte. »Sie haben abgenommen«, sagte er mit einem affektierten Grinsen und entblößte eine unregelmäßige Reihe vuittonfarbener Zähne.
DeDe nickte. »Und wie ist es Ihnen ergangen, Carson?«
»Man tut, was man kann. Sie waren auf einer Abspeckfarm, was?«
»Im Golden Door.« Sie lächelte bei ihrer Antwort, führte sie allerdings nicht weiter aus. Es war klar, daß Carson sie aushorchte, und sie hatte keine Lust, in der Western Gentry über ihre Figurprobleme zu lesen.
»Kompliment, es steht Ihnen ausgesprochen gut.«
»Danke, Carson.«
»Und wie finden Sie den Künstler?«
Das brachte sie einen Augenblick aus der Fassung. Bilder waren das Letzte, was ihr bei einer Vernissage auffiel. »Oh … ein sehr individueller Stil. Und ziemlich gefühlvoll, würde ich sagen …«
»Wollen Sie und Beauchamp auch kaufen?«
»Oh … nein, ich glaube nicht, Carson. Beauchamp und ich halten es mehr mit der Westkunst.«
Carson nuckelte an seiner Pfeife und schaute sie mit seinen kleinen Äuglein durchdringend an. »Der Mann kommt aus dem Westen«, sagte er schließlich.
»Ich meine … Sie wissen schon … alte Sachen.«
»Ja, alte Sachen. Bei manchem sind die alten Meister eben doch besser.« Er zwinkerte ihr zu und kaute sehr betont auf dem Stiel seiner Pfeife herum, bis DeDe seine Anzüglichkeit mit einem dünnen Lächeln quittierte.
»Würden Sie mich jetzt bitte entschuldigen, Carson? Ich glaube, Beauchamp …«
»Ich hatte gehofft, Sie würden mir etwas über den Fol de Rol erzählen.«
»Oh … aber sicher.« DeDe war augenblicklich besserer Laune. Wenn dieser Coup gelang, würde Shugie Sussman die Wände hochgehen!
Carson Callas zog einen Block und einen Stift aus der Tasche seines Safarianzugs. »Sie gehören doch zum Komitee, nicht?«
»Ja. Ich und ein paar andere.«
»Wer wird dieses Jahr auftreten?«
»Oh, es ist ganz wunderbar, Carson! Das Motto ist › Wein, Weib und Gesang‹, und wir haben Domingo, Troyanos und Wixell gewinnen können …«
»Mit Vornamen, bitte.«
»Placido Domingo …«
»Ach so, klar …«
»Tatjana Troyanos und Ingvar Wixell.« Sie verkniff es sich, die Namen zu buchstabieren, da ihr einfiel, wie eitel Callas war. Er konnte ja nachschlagen, wenn er wieder in sein Büro kam.
Der Klatschreporter steckte Block und Stift wieder ein. »Ein vergnüglicher Abend, nicht?«
»Kann man so sagen, ja.«
»Aber wohl nicht so vergnüglich wie Ihre sonstigen Abende.«
»Hmh … Wie bitte, Carson?«
Das anzügliche Grinsen war wieder da. »Ich denke, Sie verstehen mich ganz gut, Herzchen.«
Durch neue Gäste war es in der Galerie zusehends lauter geworden, aber plötzlich drang der Lärm nicht mehr so richtig zu DeDe durch. Sie schluckte und zwang sich zu einer blasierten Haltung.
»Also, Carson! Manchmal treiben Sie es zu weit! «
»Ich denke, da haben wir beide viel gemeinsam.«
»Carson, ich verstehe überhaupt nicht …«
»Sehen Sie … wir sind doch beide erwachsen. Mir kann keiner vorwerfen, daß ich mich je vor einer Ausschweifung gedrückt hätte … und ich bilde mir ein, daß ich eine verwandte Seele erkenne, wenn mir eine begegnet.«
Mein Gott, dachte DeDe, wie oft hatte er den Spruch schon vom Stapel gelassen?
In der Stadt wurde ständig darüber gewitzelt, daß Callas einmal ohne Erfolg das gesamte Ensemble einer Musicalbühne angemacht hatte. Nach den Frauen hatte er sich bis zu den unattraktivsten Männern hinuntergearbeitet.
»Carson … ich plaudere ganz gern mit Ihnen, aber ich glaube, ich brauche jetzt noch was zu trinken.«
»Noch eine einzige Frage zum Fol de Rol?«
»Gern.«
»Werden Sie Ihre Abtreibung davor oder danach machen lassen?«
Fast im selben Augenblick rutschte DeDe das Glas aus der Hand und zersprang wie zur Unterstreichung dieser grauenhaften Frage in tausend Stücke. Callas fiel auf die Knie und half DeDe, die Scherben in einer Cocktailserviette aufzusammeln.
»Ach, kommen Sie! Es ist doch halb so wild, DeDe. Ich bin sicher, daß wir das hinkriegen … falls Sie an einem Abend mal Lust haben, mit mir darüber zu sprechen.« Er steckte seine Visitenkarte hinter den Gürtel ihres Kleids und stand wieder auf.
»Ihre Freunde sind um Sie besorgt« ,setzte
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