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Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 01 - Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Island Trailer Court entpuppte sich als ein trauriges kleines Feldlager gleich neben dem Camino Real an der Grenze zwischen Colma und South San Francisco.
    Der nächstgelegene Nachbar war der Cypress Lawn Cemetery, ein Friedhof.
    Als Candis Camaro vom Highway auf den Campingplatz bog, zuckte Brian beim Anblick der häßlichen kleinen Monopolyhäuschen, die sich in langen Reihen über einen Hügel in der Ferne schlängelten, zusammen.
    Ganze Reihen.
    Die Leute auf der Halbinsel verurteilten sich oft zu Reihen, dachte Brian. Reihenhäuser, Reihensiedlungen, Reihengräber …
    Ah, aber nicht die Leute vom Treasure Island Trailer Court. Auf dem Treasure Island Trailer Court gab es rues. Französisch. Viel mehr Klasse.
    Rue I, Rue 2, Rue 3 … Candis Zuhause war ein blaßrosa Travel-Eze-Wohnwagen, der an der Rue 8 in einem Bett aus immergrünen Sukkulenten steckte. Auf einem geschnitzten Holzschild stand: CANDI UND CHERYL.
    Mehr brauchte Brian nicht zu wissen.
    »Äh … Candi. Ich muß dir mal was sagen.«
    »Mhhmm?«
    »Du wirst es nicht glauben, aber … ich denke, ich kenne deine Freundin.«
    »Cheryl?«
    »Arbeitet Sie auch im Zim’s?«
    Candi grinste. »In der Frühschicht. Aber das macht gar nichts, Brian. Cheryl und ich sehen uns ja kaum.«
    »Ich war schon mal hier, Candi.«
    Sie tätschelte seinen Oberschenkel. »Ich hab doch gesagt, daß es nichts macht, oder?«
     
    Offensichtlich fand auch Cheryl, daß es nichts machte.
    Sie schlang gerade ihre Froot Loops hinunter und sah nur mäßig überrascht drein, als Brian mit Candi hereinplatzte. »Sieh mal einer an. Was hat die Katze denn da wieder angeschleppt?«
    Sie war jünger als Candi. Um einiges. Ihr Bernadette-Peters-Schmollmund löste bei Brian ein heftiges Déjà-vu-Erlebnis aus. Hätte man ihm die Wahl zwischen den beiden gelassen, hätte er sofort getauscht. »Wie klein die Welt doch ist, was?«
    Sie grinste unanständig. »Eigentlich nicht. Ich würde eher sagen, daß dir der Nachschub ausgegangen ist.«
    Während Candi sich zum Schlafzimmer durchkämpfte, rief sie ihrer Mitbewohnerin über die Schulter zu: »Du bist schon wieder zu spät dran, Cheryl. Ich kann mir nicht jedesmal ’ne Entschuldigung für dich ausdenken. Langsam wird es peinlich.«
    »Ich hab bloß auf meine dämliche Perücke gewartet, wenn es dir recht ist!«
    Schweigen.
    »Hast du verstanden?«
    Die Stimme, die aus dem Schlafzimmer kam, war leise und drohend. »Cheryl, komm mal kurz her.«
    »Ich bin mit meinen Froot Loops noch nicht …«
    »Komm sofort her, Cheryl!«
    Cheryl stieß ihren Stuhl geräuschvoll nach hinten, sah Brian an, verdrehte die Augen und ging aus dem Zimmer. Gleich darauf war gedämpftes Gezeter zu hören. Als Cheryl wieder auftauchte, trug sie eine Zim’s-Uniform und Candis Haaraufbau.
    »Macht das Bett nicht kaputt«, schnurrte sie, griff Brian zwischen die Beine und ging zur Tür hinaus.
     
    »Brian?«
    »Hmh?«
    »Möchtest du was trinken? Eine Pepsi oder so?«
    »He, du bist nicht mehr im Dienst.«
    »Ich dachte bloß … na ja, du weißt schon. Manche Leute kriegen hinterher Durst.«
    »Ich brauche aber nichts.«
    »War ich …? Findest du, daß ich genauso hübsch bin wie Cheryl? Ich meine … ich weiß, daß ich älter bin und so, aber … würdest du sagen, daß ich für mein Alter akzeptabel aussehe?«
    Er spielte mit ihrem Ohrläppchen und küßte sie auf die Nasenspitze. »Besser als akzeptabel. Sogar ohne diese furchtbare Perücke.«
    Sie strahlte. »Weißt du was? Ich hab den ganzen Tag frei, der Camaro ist vollgetankt …«
    »Ich muß aber nach Hause, Candi. Ich erwarte einen Anruf.«
    »Es würde gar nicht lange dauern. Ich könnte dir eine Stelle zeigen, wo Kürbisse wachsen. Die sind gerade ganz wunderschön.«
    Brian schüttelte lächelnd den Kopf.
    »Möchtest du, daß ich dich nach Hause fahre?«
    »Es gibt doch einen Bus, nicht?«
    »Ja. Wenn du damit lieber fährst. Aber es macht mir gar keine Umstände, Brian.«
    Er kletterte aus dem Bett. »Ich fahr ganz gern Bus.«
    »Ich würd mich freuen, wenn du mich anrufen würdest.«
    »Bestimmt. Stehst du im Telefonbuch?«
    Candi nickte.
    »Ich ruf dich an.«
    »Unter Moretti.«
    »Okay.«
    »Mit zwei t. «
    »Gut. Ich klingel nächste Woche mal durch.«
    Als er ging, hatte er ihr zwar seinen Nachnamen nicht gesagt, aber er hatte eine gerahmte Fotografie an der Badezimmerwand gesehen.
    Cheryl beim High-School-Abschluß, in Robe und Hut.
    Candi in Straßenkleidung und gerade dabei, Cheryl zu

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