Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
Vom Netzwerk:
Schlafmaske aus Satin saß schief über der Stirn – wie die Schutzbrille eines abgeschossenen Kampffliegers.
    »Morgen, Miss Frannie.«
    »Stellen Sie’s bitte auf die Frisierkommode, liebe Emma.«
    »Ja, Ma’am.«
    »Miss Singleton hat nicht zurückgerufen, oder?«
    »Nein, Ma’am.«
    »Und Miss Moonmeadow?«
    Emma machte ein finsteres Gesicht. »Nein, Ma’am.«
    »Sie brauchen mich nicht so anzusehen. Ich weiß genau, wie Sie zu Miss Moonmeadow stehen.«
    Emma schüttelte die Steppdecke ihrer Herrin beinahe aggressiv auf. »Mr. Edgar würd sich im Grab umdrehen, wenn er wissen täte, daß Sie sich mit dieser Hexe treffen.«
    Mit einem verdrossenen Seufzer nahm Frannie die Schlafmaske ab. »Emma, sie ist ein Medium. Nennen Sie sie bitte nicht Hexe. Das tut mir weh.«
    »Ich weiß, daß sie bloß Ihr Geld will.«
    »Sie stellt die Verbindung zu …«
    »Ach je, Miss Frannie …«
    »Sie stellt die Verbindung zu meinem einzigen Kind her, Emma, und damit Schluß. Haben Sie verstanden, Emma?«
    Emma blieb widerborstig. Sie ging schmollend ans Fenster und stieß die Läden auf. Ihrer Herrin zeigte sie dabei nur den Rücken.
    »Begreifen Sie denn nicht?« fragte Frannie in einem sanfteren Ton. »Miss DeDe war alles, was ich noch hatte. Und Miss Moonmeadow schenkte mir die Hoffnung, daß … daß Miss DeDe noch lebt.«
    Emma ging stocksteif zur Tür. »Genau solche Leute ham sie umgebracht.«
     
    Die Post bot wenig Erfrischendes: eine Rechnung von Magnin’s, eine Einladung zu Vita Keatings Benefizkonzert zugunsten der Erdbebenopfer in Italien, ein kurzes Dankeschön von dieser Giroux und einen Kettenbrief von Dodie Rosekrans.
     
    Dies ist der Kettenbrief für die gehobene Gesellschaft. Unterbrechen Sie die Kette, so setzen Sie Ihr Leben, Ihr leibliches Wohl und Ihren persönlichen oder ererbten Reichtum aufs Spiel. Chrissie Goulandris hat die Kette unterbrochen, und eine Woche später sind ihr in Genf vor dem Bal Rouge von Hélène Rochas nicht nur ein, sondern gleich zwei Nägel abgebrochen. Ariel de Ravenel hat die Kette unterbrochen und sich am gleichen Tag in Gstaad das Schlüsselbein gebrochen. Betty Catroux hat die Kette unterbrochen, und drei Wochen später kam ihr zwei Jahre alter Asti in Managua für acht Monate in einem winzigen Zwinger in Quarantäne, und sein Frauchen durfte kein einziges Mal zu ihm.
    LASSEN SIE NICHT ZU, DASS IHNEN ÄHNLICHES ZUSTÖSST!!!!
     
    Schicken Sie sechs Kopien dieses Briefes an Bekannte, von denen Sie WISSEN, daß sie den Spaß sehr ernst nehmen. Setzen Sie Ihren Namen an das Ende der Liste und schreiben Sie Ihren Absender auf den Umschlag. Innerhalb von sechs Wochen werden Sie dann eintausendzweihundertachtzig neue Adressen bekommen – die ideale Voraussetzung für das Arrangieren internationaler Zusammenkünfte.
     
    P.S.: Ehemänner, die die Fortsetzung der Kette unterbinden wollen, werden ebenfalls vom Pech verfolgt sein. Paquita Paquins Mann hat ihren Brief in den Papierkorb geworfen, und eine Woche später wurde seiner Stiftung in Argentinien die Steuerbefreiung aberkannt. DAS VER-MÖGEN, DAS SIE RETTEN, KANN IHR EIGENES SEIN!!!!
    D. D. Ryan
    Marina Cicogna
    Delfina Ratazzi
    Dominique Schlumberger de Menil
    Nan Kempner
    Paloma Picasso
    Loulou Klossowski
    Marina Schiano
    Apollonia von Ravenstein
    Countess Carimati de Carimate
    C. Z. Guest
    Douchka Cizmek
    Betsy Bloomingdale
    Nancy Reagan
    Jerry Zipkin
    Adolfo
    Dodie Rosekrans
     
    Frannie fand es sehr nett von Dodie, ihr den Kettenbrief zu schicken, doch sie wußte, daß sie durch nichts aufzuheitern war. Die Namensliste deprimierte die Matriarchin außerdem mehr als ihre ganzen Leiden und Beschwernisse zusammen.
    Ihre Trostlosigkeit machte sich vollends bemerkbar, als sie sich im Fernsehen den Nachmittagsfilm ansah: Susan Hayward in Endstation Paris. Selbst Mary Ann Singletons munterer Beitrag über selbstgemachte Kühlschrankmagnete konnte Frannies absackende Stimmung nicht beleben.
    Sie machte so einen netten Eindruck, diese Mary Ann.
    Hätte sie nicht wenigstens zurückrufen können?
    Oder hatte sie schlicht und einfach den Grund für Frannies Anruf erraten und beschlossen, nicht zu reagieren?
    Emma hatte todsicher recht. Todsicher. Was für eine erschreckend treffende Wortwahl. DeDe war tot. Und diejenige, die als erste davon erfahren hatte, war die letzte, die den Tatsachen ins Auge blicken wollte.
    Doch jetzt tat sie es.
    DeDe war tot, Edgar war tot, Beauchamp war tot, Faust war tot, und Frances Alicia Ligon

Weitere Kostenlose Bücher