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Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Lichtung erreichte, die auf der gegenüberliegenden Seite von einem Gewirr aus Efeu und Eukalyptusbäumen begrenzt war. Dort leuchtete kurz cremefarbenes Fell auf.
    »Um Gottes willen, Vuitton!«
    Das Gelände fiel plötzlich ab. Vuitton rutschte unbeholfen eine steile, sandige Böschung hinunter, die an einer efeuüberwucherten Felsbank endete. Auf der Felsbank stand eine merkwürdige Hütte.
    Und neben der Hütte stand ein Mann.
    Er schaute lächelnd zur Klatschkolumnistin der Western Gentry hoch. »Haben Sie Zeit für einen Kaffee?« fragte er.

Downer
    Frannie Halcyon kapitulierte mit einem verzweifelten Seufzer und nahm die Tabletten vom Nachttisch.
    Sie waren seltsamerweise ein Geschenk zu ihrem sechzigsten Geburtstag gewesen, und zwar von Helena Parrish, der eleganten Eigentümerin von Pinus. Das war eine Erholungsanlage in den Hügeln des Sonoma County, in der Frannie damals ein paar wohlige Wochen verbracht hatte und würdevoll ins Alter hinübergeglitten war.
    »Es ist Vitamin Q«, hatte Helena ihr damals erklärt, »und das hilft gegen alles, was dir zusetzt.«
    Selbst jetzt brachte Frannie beim Gedanken an ihre frühere Unwissenheit ein dünnes Lächeln zustande. Vitamin Q, klar. Es waren Quaaludes, und die jungen Leute nannten so etwas »Downer«. Frannie hatte während der Tage in Pinus ungefähr ein halbes Dutzend genommen, sie jedoch nach der Entdeckung, daß sie sich mit Mai Tais nicht besonders gut vertrugen, wieder abgesetzt.
    Jetzt war auch das egal.
    Sie steckte zwei in den Mund und spülte sie mit ihrem Mai Tai hinunter. Es waren mindestens ein Dutzend Tabletten in der Flasche, bestimmt genug, um sie von ihrem Elend zu erlösen. Als sie weitere zwei schlucken wollte, fiel ihr eine wichtige Kleinigkeit ein.
    »Emma!« rief sie.
    Sie wartete auf die Schritte ihres Dienstmädchens.
    Nichts.
    »EMMA!«
    Schließlich war auf dem Korridor ein Schlurfen zu hören. Emma erschien mit einem Mop an der Tür. »Ja, Ma’am?«
    »Haben Sie meinen Rosenkranz gesehen, meine Liebe?«
    »Nein, Ma’am. In letzter Zeit nicht.«
    »Ich glaube, er ist im Schreibtisch in der Bibliothek. Würden Sie bitte für mich nachsehen?«
    »Ja, Ma’am.«
    Sie blieb ein paar Minuten weg. Lang genug, damit die Matriarchin zwei weitere Quaaludes schlucken und das Bettzeug glattstreichen konnte. Als die alte Schwarze ihr den Rosenkranz reichte, überkam Frannie große Traurigkeit. Sie kämpfte mit den Tränen. »Was würde ich ohne Sie machen, Emma?«
    Und was würde Emma ohne sie machen?
    Dafür war es jetzt zu spät. Es gab kein Zurück mehr. Emma wurde in Frannies Testament großzügig bedacht. Das mußte einfach reichen. Trotzdem …
    »Geht’s Ihnen nich gut, Miss Frannie?«
    Frannie wich dem Blick der treuen alten Seele aus. Der Rosenkranz hatte sie verraten. Niemand wußte besser als Emma, daß Frannies Bindung an die Kirche mehr als locker war. »Doch, doch, meine Liebe. Keine Sorge. Ich will nur ein kleines Gebet für Miss DeDe sprechen.«
    Emma rührte sich nicht von der Stelle. »Wirklich?«
    »Ja, meine Liebe. Lassen Sie mich jetzt bitte allein, ja?«
    Emma sah sich im Zimmer um, als suchte sie nach einem Beweis, der die Behauptung der Matriarchin widerlegte. (Die Quaaludes waren unter Frannies Kopfkissen versteckt.) Mit einem Seufzer schüttelte das Hausmädchen den Kopf und stapfte aus dem Zimmer.
    Als Frannie nach den Tabletten griff, klingelte das Telefon.
    Sie überlegte kurz. Wenn sie nicht abhob, würde Emma den Anruf entgegennehmen und mit der Nachricht ins Schlafzimmer zurückkehren. Also griff sie in der Hoffnung, damit das letzte Hindernis auf dem Weg ins Jenseits aus dem Weg zu räumen, nach dem Hörer.
    »Hallo.« Frannie hatte das Gefühl, daß ihre Stimme träge klang. Sie kam sich vor, als redete sie im Traum.
    »Wer spricht, bitte?« fragte die Stimme am anderen Ende.
    »Hier ist … aber, wer ist denn dort?«
    »Mutter? O Gott, Mutter!«
    »Wa …?«
    »Ich bin’s, Mutter, DeDe! Gott sei Dank hab ich …«
    »DeDe?« Es war ein Traum … oder eine Halluzination … oder ein übler Streich, den ihr eines dieser kranken Gemüter spielte, die … Aber diese Stimme, diese Stimme. »DeDe, mein Engel … bist du das?«
    Aus dem Telefonhörer drang lautes Schluchzen. »Ach, Mutter, es tut mir so leid! Bitte verzeih! Mir ist nichts passiert! Den Kindern ist nichts passiert! Es geht uns gut, hörst du? Wir kommen so schnell es geht nach Hause!«
    Frannie hatte inzwischen zu heulen begonnen, und zwar so

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