Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten
harte Kerle?«
»Ich suche eine Safarijacke. Und Sie, Pater? Soutanen gibt’s doch wohl keine in Khaki, oder?«
Pater Paddy kreischte vor Lachen und ließ ein theatralisches Seufzen folgen. »Das ist ja das Schlimme, mein Kind, das ist ja das Schlimme! Wäre das nicht göttlich? Jahraus, jahrein dasselbe … fades Durchschnittsschwarz. Einfach scheußlich. Ich sehne mich nach einem anderen Kleid.«
Prue kicherte anerkennend. Sie mochte die neckische Art, wie Pater Paddy Witze über sein »Kleid« machte und das Wort »göttlich« auf ganz weltliche Weise benutzte. Er wirkte dadurch weniger erhaben. Überhaupt nicht wie ein Priester, sondern eher wie ein … geistlicher Dekorateur.
»Eigentlich«, fügte der Geistliche gepreßt hinzu, »suche ich verzweifelt nach einem guten, einfachen Picknickkorb. Ich habe Frannie Halcyon versprochen, mit ihr nach Santa Barbara zu fahren. Wir wollen uns das Turiner Grabtuch ansehen.«
»Oh«, sagte Prue fröhlich. »Wer singt da mit?«
Pater Paddy schien kurz zu überlegen, bevor er sie aufklärte: »Es ist eigentlich keine Oper, mein Kind. Es ist ein … na ja, ein Grabtuch eben. Das Stück Stoff, in dem Christus ins Grab gelegt wurde. Zumindest hält man es dafür. Die Sache ist recht aufregend, und in kirchlichen Kreisen ist man davon fasziniert.«
»Wie reizend«, sagte Prue.
Pater Paddy beugte sich leicht nach vorne, als wollte er ihr etwas Vertrauliches mitteilen. »Das Ding ist sensationeller als die Tutenchamun- und die Tiffany-Ausstellung zusammen. Sie sollten in Ihrer Kolumne was dazu schreiben.«
Prue holte ihren Elsa-Peretti-Federhalter aus ihrer Bottega-Tasche und schrieb ein paar Stichworte in ihr kleines florentinisches Notizbuch. »Na«, zwitscherte sie, als sie alles wieder verstaut hatte, »ich würde sagen, Sie haben sich eine kleine Erholung verdient … nach der schrecklichen Geschichte mit diesen … Radikalen, die in St. Ignatius singen wollten.«
Pater Paddy nickte grimmig. »Der Homochor. Ja. Das war höchst unglücklich. Entsetzlich. Der Erzbischof, Gott segne ihn, stand sozusagen mit dem Rücken zur Wand.«
Prue schüttelte mitfühlend den Kopf. »Ich fürchte, manche Leute wissen einfach nicht, wo Schluß ist.«
Ein erneutes Nicken, diesmal noch bedeutungsschwerer.
»Die können sich doch eine Halle mieten«, sagte Prue.
»Aber natürlich. Wir sind doch liberal, wir beide. Es ist ja nicht so, daß wir gegen … na ja, gegen die Menschenrechte und so was wären. Ganz und gar nicht. Wir haben Mitgefühl. Wir nehmen Anteil. Wir reichen allen die Hand, die unserer Fürsorge bedürfen. Aber daß ein Chor von erklärten Homosexuellen in einer Kirche singt? Also bitte … Ich bin alt genug, um zu wissen, wann etwas geschmacklos ist!«
Prues Fahrer setzte sie kurz vor Mittag am Gewächshaus im Golden Gate Park ab.
Er bekam die Anweisung, zwei Stunden später wiederzukommen.
Sollten sich Prues Anstrengungen als fruchtlos erweisen, konnten sie die Suche in einer anderen Ecke des Parks von neuem angehen und jeden Hektar Park durchkämmen, bis der Hund gefunden war. Oder auch nicht. Prue war auf letzteres gefaßt, doch sie wußte, daß sie es sich nie verzeihen würde, wenn sie es nicht zumindest versuchte.
Da sie Vuitton in den Baumfarnen verloren hatte, begann sie ihre Suche auch dort, inmitten der üppigen Fächerkronen dieser unirdischen Pflanzen.
Die Schönheit der Umgebung trieb sie dazu, stehenzubleiben und eine kleine Erinnerungshilfe in ihr Notizbuch zu kritzeln. »Wenn W anruft, verlangen, daß Fotos in Baumfarnen gemacht werden.« Sie erwartete, in die Sommersondernummer der Zeitschrift aufgenommen zu werden. Und warum sollte sie sich zu Hause fotografieren lassen, wo sie genauso steif und matronenhaft aussehen würde wie die anderen, wenn man sie auch hier fotografieren konnte – in exotischer Umgebung und so wild und frei wie ein weißer Nymphensittich?
Sie ging einen Asphaltweg entlang, der sich durch die Baumfarne schlängelte und dann dramatisch anstieg zu einem dicht bewachsenen Kamm, der von Eukalyptusbäumen gesäumt wurde.
»Vuitton«, rief sie. »Vuitton.«
Eine ältere Hippiefrau mit Birkenstock-Sandalen und Fransenponcho kam Prue entgegen und betrachtete sie stirnrunzelnd.
Doch Prue war ganz auf ihre Suche konzentriert.
»Vuitton … Vuiiiiitton …«
Kettenreaktion
Es war Mittag, als Emma zusammen mit der Vormittagspost die Mai Tais brachte. Frannie Halcyon saß immer noch im Bett. Ihre pfirsichfarbene
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