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Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Halcyon war restlos und hoffnungslos allein auf der Welt.
    Es war Zeit, ihrer Familie zu folgen.

Ou est Vuitton?
    Prue kam sich vor wie in einem Dinosaurierfilm.
    Sie stand auf einer U-förmigen Erhebung und schaute in die dunkelgrüne Mitte des U – auf einen versumpften Urzeitsee, der von derart großen Baumfarnen umgeben war, daß sie fast mit dem Erscheinen einer schwerfälligen, zwanzig Meter großen Monsterechse rechnete.
    Ihre Maud Frizons brachten sie um.
    Trotzdem eilte sie auf dem Weg weiter, der sie immer tiefer in die einsamen Gegenden des Parks führte. »Vuitton«, rief sie. »Vuiiiitton«. Falls der Wolfshund da war, würde sie es merken; auf seinen Namen hatte er noch immer reagiert.
    Der Sumpf war wohl die falsche Gegend für eine Suche. Das Gelände darum herum war größtenteils so offen, daß ihr geliebter Hund sich dort kaum ungesehen bewegen konnte. Also orientierte sie sich nach Westen – oder was sie dafür hielt – und ging am Rand des paläolithischen Beckens entlang, bis sich die Landschaft um sie herum fächerförmig verbreiterte und eine Senke voll Rhododendren bildete.
    Die Blüten waren fast verwelkt. Sie lagen auf dem staubigen grünschwarzen Blattwerk wie tausend abgelegte Mieder am Morgen nach dem High-School-Ball. Prue ließ sich das noch mal durch den Kopf gehen: wie tausend abgelegte Mieder am Morgen nach dem High-School-Ball.
    Das war richtig gut. Sie kramte ihr kleines Notizbuch aus der Handtasche und machte sich eine weitere Notiz. Tja, ihre Schreibe wurde wirklich immer besser.
     
    Der Asphaltweg verlor sich langsam. Der neue Weg war der, den sie sich selbst durch die riesigen Rhododendren bahnte. Manche waren so groß wie kleine Karussells. Hmm. Die Rhododendren wurden groß wie kleine Karussells, als ich auf der rastlosen Suche nach meinem geliebten …
    Das Notizbuch kam erneut zu Ehren.
    Dann kämpfte Prue sich weiter. »Vuitton … Vuitton.« Ihre Riemchenschuhe waren fast nicht mehr auszuhalten, aber sie versuchte, nicht an sie zu denken. Was für ein dummer Fehler. Wenn sie die Geschichte schrieb, würde sie die Maud Frizons schlicht weglassen müssen.
    Ein Rhododendron kehrte wieder. Oder es gab zwei Rhododendren, deren welke Blüten das gleiche Arrangement bildeten. Ging sie denn nicht mehr Richtung Westen? War sie nach ihrer letzten Notiz vom Kurs abgekommen?
    Sie suchte die Sonne. Die Sonne mußte im Westen stehen. So viel wußte sie noch aus ihrer Zeit bei den Camp Fire Girls. Ich versuchte, mich an das zu erinnern, was ich als Camp Fire Girl in Grass Valley gelernt hatte. Gab es die Camp Fire Girls überhaupt noch? Prue erkannte, daß sie durch deren Erwähnung schrecklich alt erscheinen würde.
    Egal. Die Sonne war sowieso nicht zu sehen. Dichter Sommernebel hatte sich bereits über den Park gelegt.
    Die Hoffnungslosigkeit der Situation war mit Worten nicht zu fassen.
    Vuitton war seit mehr als zwei Wochen verschwunden. Selbst wenn er es geschafft hatte, im Park zu bleiben, wo hatte er dann die ganze Zeit gelebt? Was hatte er gefressen? Wie hatte er sich vor den Hundefängern gerettet … oder vor normalen Leuten, die zu einem heimatlosen Hund nett waren … oder vor Kambodschanern?
    Wenn sie bloß einen Hinweis finden würde, ein noch so kleines Beweisstück dafür, daß Vuitton sich in dieser Wildnis befand. Entschlossenheit allein reichte jetzt nicht mehr: Sie brauchte ein Zeichen.
    Gleich darauf trat sie in eines.
     
    Sie wußte aus Erfahrung, wie schwer es war, Wolfshund-Aa von einem Paar Pumps zu bekommen. Und das hier war schlicht und einfach Wolfshund-Aa; Vuittons Aa. Ihr Herz machte vor Freude einen Sprung.
    Sie schaute sich in der Senke um und versuchte zu pfeifen, doch es gelang ihr nicht. »Vuitton!« rief sie. »Mommy ist da, mein Schatz!«
    Wie einen Lufthauch hörte sie das Rascheln von trockenen Blättern durch das Unterholz ziehen. Ein paar Meter weiter erzitterte eines der Karussells aus toten Miedern – und teilte sich. Etwas Helles tauchte auf. Nicht anders als ein frisch geschlüpftes Küken, das sich aus seiner scheckigen Schale pickt.
    Es war Vuitton!
    »Vuitton, Kindchen! Schatz! Liebling!«
    Doch der Wolfshund stand nur da und sah sie an.
    »Komm schon, mein Liebling. Komm zu Mommy.«
    Der Hund zog sich in die welkenden Blüten zurück; das Karussell schloß die Lücke sofort.
    Um Himmels willen, was …?
    Prue bahnte sich einen Weg durch das Unterholz; sie duckte sich unter dicken schwarzen Ästen hindurch, bis sie eine Art

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