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Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Ann.
    »Wissen Sie, es läßt einen nie los.« – »Was?«
    »Das. Oder die Erinnerung daran. Sogar im Dschungel … sogar in dem Dschungel hab ich manches Kalifornische nicht vergessen können. Selbst, als ich es wollte.«
    Mary Ann fragte nach kurzem Zögern: »Warum wollten Sie vergessen?«
    »Sie sind hier nicht aufgewachsen«, sagte DeDe. »Unter den richtigen Umständen kann fast alles bedrückend sein.« Sie lächelte beinahe versonnen. »Und die Erlösung kommt, wenn man sie am wenigsten erwartet.«
    Mary Ann schaute sie direkt an. »Sie halten Guyana doch sicher nicht für Ihre Erlösung, oder?«
    DeDe schüttelte den Kopf. »Ich meinte D’orothea.«
    »Ach so.«
    »Ich würd gern über sie reden, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Ist Ihnen das Thema unangenehm?«
    »Überhaupt nicht«, sagte Mary Ann und log dabei nur ein ganz klein wenig.
    »Mutter geht jedesmal die Wände hoch.«
    »Das ist eine andere Generation«, sagte Mary Ann.
    »Kennen Sie sie noch aus Daddys Agentur?«
    »Wen?« fragte Mary Ann.
    »D’orothea.«
    »Ach so … ja, aber nicht besonders gut. Sie ist nur ein paarmal kurz reingeschneit. Sie war das Topmodel unseres wichtigsten Kunden. Ehrlich gesagt hat sie mich furchtbar eingeschüchtert.«
    DeDe lächelte. »Ja, sie hatte so eine Art. Das heißt, sie hat sie noch. «
    »Sie war mit einer Freundin von mir befreundet. Mit Mona Ramsey, einer Werbetexterin.«
    »Die beiden hatten eine Beziehung«, sagte DeDe.
    »Ja.« Mary Ann lächelte verlegen. »Das hab ich eigentlich auch gemeint. Manchmal kommt mir Cleveland noch in die Quere.«
    DeDe gluckste und schaute weiter gebannt auf die untergehende Sonne. »Aber Sie kommen besser zurecht als ich. Ich hab mich immer nur mit dem beschäftigt, was ich grade selber erlebt habe.«
    Mary Ann dachte kurz nach. »Tja«, sagte sie dann trocken, »aber was haben Sie nicht alles erlebt?«
    DeDe warf ihr einen gequälten Blick zu. »Da haben Sie auch wieder recht«, sagte sie.
    »So was ist doch der Traum jeder Journalistin«, stellte Mary Ann fest und fügte dann hastig hinzu: »Hoffentlich hört sich das nicht gefühllos an.«
    »Nein. Ich weiß, was in der Geschichte steckt.«
    »Da ist sicher ein Buch drin. Vielleicht sogar ein Fernsehfilm.«
    DeDe entlockten solche Aussichten ein ironisches Lachen. »Mutter wird entzückt sein! ›Sally Struthers in der Rolle der Societylesbe.‹ O Gott.«
    Mary Ann kicherte. »Ich denke, wir kriegen da schon was Besseres hin.«
    »Vielleicht … aber ich bin auf das Schlimmste gefaßt.«
    Mary Ann sah ihre Beifahrerin ernst an. »Ich werde tun, was ich kann, um Ihnen zu helfen.«
    »Ich weiß«, sagte DeDe. »Und ich glaub Ihnen das auch. Aber es geht erst, wenn der Monat um ist, okay?«
    Mary Ann nickte. »Obwohl ich gern den Grund dafür kennen würde.«
    »Versprechen Sie mir, daß Mutter nichts davon erfährt, wenn ich Sie einweihe?«
    »Natürlich.«
    »Sie glaubt, daß ich die Zeit brauche, um mich zu erholen und mich wieder einzugewöhnen, bevor der Medienrummel losgeht. Das stimmt zwar, ist aber noch nicht alles. Die ganze Wahrheit war für Mutter immer schon ein bißchen zuviel.«
    Mary Ann lächelte. »Das hab ich bemerkt.«
    »Ich muß mit ein paar Leuten reden. Mit Leuten, die unter Umständen wissen … was ich noch herausfinden muß.«
    »Mit wem? Können Sie das sagen?«
    »Mit Tempelmitgliedern«, antwortete DeDe. »Und mit Leuten, die ihn gekannt haben.«
    »Jones?«
    DeDe nickte.
    »Da könnten Sie gleich beim Gouverneur anfangen«, sagte Mary Ann. »Und bei der Hälfte der Stadtpolitiker. Der Kerl war ziemlich populär hier.«
    DeDe lächelte matt. »Ich weiß. Jedenfalls schinde ich im Moment Zeit, weil ich noch nicht alle Fakten zusammen habe. Und die Vorstellung, als Verrückte abgestempelt zu werden, behagt mir kein bißchen.«
    »Dazu würd es doch nie kommen.«
    »In zwei Wochen«, sagte DeDe, »sind Sie da vielleicht anderer Ansicht.«
     
    Sie hielten an, um zuzusehen, wie der feuerrote Sonnenball im Meer versank.
    »Ich glaub, ich hab vom Thema abgelenkt«, sagte Mary Ann.
    »Wann?«
    »Sie wollten über D’orothea reden.«
    »Tja, nun … dazu gibt’s eigentlich nicht viel zu sagen. Nur, daß sie sich was aus mir gemacht hat. Und daß sie mich oft zum Lachen gebracht hat. Und daß die Zwillinge sie verehrt haben. Und daß sie im Bett einfach himmlisch war. Und daß ich mir wünsche, daß sie ihren blöden sozialistischen Arsch aus Kuba rauskriegt und zu mir und den Kindern kommt. Das

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