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Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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»schließ dich nicht so ab. Es gibt in dieser Stadt zweihunderttausend Tunten. Wenn du sie alle über einen Kamm scherst, bist du nicht besser als die Moral Majority.«
    Michael sah ihn an. »Ja, aber ich weiß, daß du genau weißt, was ich meine.«
    »Ja, klar.«
    »Es ist alles so schrecklich normiert«, sagte Michael. »Da kommt so ein Knabe aus Sioux Falls oder sonstwoher nach San Francisco, kauft sich im All-American Boy seine Uniform, übt, wie er sich in einer dunklen Ecke vom Badlands dementsprechend hinstellen muß, und sein ganzes Leben besteht nur aus Pose und Positur und schnellem Sex. Es ist viel zu einfach. Das Geheimnisvolle fehlt.«
    »Fehlt es bei dir denn?«
    Michael lächelte. »Aber nein.«
    »Dann fehlt’s bei dem Knaben vielleicht auch nicht. Es kann doch sein, daß er das ganze Getue braucht, um sich von Sioux Falls zu befreien.«
    Nach längerem Schweigen: »Ich hör mich furchtbar alt an, was?«
    Ned schüttelte den Kopf. »Du bist nach der Tournee einfach ein bißchen überschwult. Das geht mir auch manchmal so. Allen geht es manchmal so. Es hat keiner je behauptet, daß es einfach ist, Michael.« Er drückte Michael fester an sich. »Soll ich dir helfen, dein Ordenskleid zu nähen?«
    Michael bekam große Augen. »Du nähst?«
    »Klar«, sagte Ned, »wenn ich nicht grade in einer dunklen Ecke vom Badlands steh.«

Eine wenig originelle Sünde
    Prue suchte krampfhaft nach den richtigen Worten. »Er ist einfach … anders, Pater. Er ist anders als alle Männer, die ich je gekannt habe.«
    »Irgendwie«, antwortete der Priester, »fällt es mir gar nicht schwer, das zu glauben.«
    »Er ist unaufdringlich und liebenswürdig und intuitiv … er hat großen Respekt vor der Natur, und er hat Gott besser verstanden als sonst jemand, den ich je gekannt habe.«
    »Und er ist verdammt gut im Bett.«
    »Pater!«
    »Legen wir die Karten doch mal auf den Tisch, Mädchen. Wir sind hier schließlich nicht bei Saks in der Umkleidekabine.«
    Prue antwortete nicht gleich. Sie saß starr in der Dunkelheit und horchte auf die schlurfenden Schritte draußen vor dem Beichtstuhl. »Pater«, sagte sie schließlich, »ich glaube, es wartet jemand.«
    Durch das Loch in der Trennwand drang ein Seufzer. »Es wartet immer jemand«, klagte der Priester. »Das ist jeden Monat um diese Zeit so. Kann das Ganze nicht bis zu unserem Dienstagstermin warten?«
    »Nein.«
    »Na dann.«
    »Es ist lieb von Ihnen, daß Sie …«
    »Erzählen Sie schon, meine Liebe.«
    »In Ordnung …« Nach kurzem Zögern fuhr Prue fort. »Wir haben tatsächlich miteinander geschlafen.«
    »Weiter.«
    »Und … es war gut.«
    Der Priester räusperte sich. »Ist er … sauber?«
    Eisiges Schweigen.
    »Sie verstehen mich doch recht, mein Kind, oder? Ich rede von der Hygiene, nicht von der Moral. Ich meine, Sie wissen ja nicht, wo er herkommt, oder?«
    Prue senkte die Stimme zu einem zornigen Flüstern. »Er ist makellos sauber!«
    »Schön. Man kann nicht vorsichtig genug sein.«
    »Sie brauchen mir gar nicht erst zu sagen, wie … anders er ist, Pater. Ich weiß das selbst am allerbesten. Und ich weiß auch, daß ich ihn nötig habe. Ich kann nicht essen … ich kann nicht schreiben … ich kann nicht einfach dort weitermachen, wo ich vor ihm aufgehört habe. Ich kann nicht, Pater. Verstehen Sie, was ich sagen will?«
    »Natürlich, mein Kind.« Seine Stimme klang diesmal viel sanfter. »Was hat er übrigens für Zähne?«
    »Herrgott noch mal!«
    »Prue, reden Sie leiser. Oder haben Sie vergessen, daß Mrs. Greeley draußen wartet.«
    Nach längerem Schweigen: »Wie soll ich Sie in alles einweihen, wenn Sie mich nicht ernst nehmen?«
    »Ich nehme Sie absolut ernst, Liebste. Die Frage nach seinen Zähnen hat einen bestimmten Grund. Ich wüßte dann eher, wie … äh, vorzeigbar er ist. Sieht er denn akzeptabel aus? Mal abgesehen von seinen Kleidern? Ich meine, würden wir ihn aufpeppen müssen?«
    »Das ist ja unglaublich!«
    »Beantworten Sie einfach meine Frage, mein Kind.«
    »Er sieht … großartig aus«, stotterte Prue. »Er ist ein gutaussehender Mann in mittleren Jahren mit schöner Haut und schönen Zähnen. Und sein Wortschatz ist besser als meiner.«
    »Also muß er nur noch zu Wilkes?«
    »Wozu?«
    »Damit er bestehen kann. Wozu sonst? Der Mann braucht einen neuen Anzug, Liebste. Früher oder später haben wir alle mal bestehen müssen. Henry Higgings hat sich um Eliza gekümmert; Sie können sich um Luke kümmern. Ganz einfach,

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