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Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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hatte.
    »Sie haben wahrscheinlich recht«, sagte DeDe und steckte das Streichholzbriefchen ein. »Obwohl es völlig untypisch ist für ihn, daß er so unvorsichtig ist und einen Hinweis zurückläßt. Am besten überprüfen wir vorher die Stellen, die sich von der Logik her anbieten.«
    Ihre erste, per Taxi angesteuerte Station war eine Autovermietung am Hafen. DeDe wandte sich in bemerkenswert unbekümmertem Ton an eine überaus gepflegte junge Frau, deren Uniform in zwei Grüntönen gehalten war:
    »Es könnte sein, daß ein Freund von uns gestern bei Ihnen einen Wagen gemietet hat. Und da dachten wir, ob Sie vielleicht mal nachsehen könnten … wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
    Das Lächeln der jungen Frau löste sich auf. »Solche Informationen geben wir prinzipiell nicht weiter.«
    »Mein Gott, warum denn nicht?«
    Mary Ann trat näher heran und legte DeDe beschwichtigend die Hand auf den Rücken. »Äh … es ist eigentlich ein bißchen dumm. Er hat uns gesagt, wir sollen unbedingt dieselbe Autovermietung nehmen wie er, aber wir haben vergessen, ihn nach dem Namen zu fragen. Dumm, nicht?«
    Die Frau ließ sich nicht erweichen. »Unsere Kundendaten sind vertraulich. Ich fürchte, es wäre eine Verletzung der Privatsphäre, wenn wir solche Informationen weitergeben würden. Wenn Sie allerdings einen Wagen mieten möchten, stehe ich Ihnen gerne …«
    »Herrgott noch mal, wir sind doch hier auf keiner Raketenbasis!« DeDe war gereizt wie nie.
    Diesmal packte Mary Ann sie am Ellbogen. »Sie bräuchten gar nicht im Computer nachzusehen. Unsere Freunde sind leicht zu erkennen.«
    »Ich dachte, es wäre nur eine Person.«
    »Ein Erwachsener«, stellte Mary Ann klar, bevor DeDe etwas sagen konnte. »Ein attraktiver Mann um die Fünfzig und vier Jahre alte Zwillinge. Ein Junge und ein Mädchen.«
    »Sie sind eurasisch«, ergänzte DeDe.
    »Was bin ich?« brauste die Frau auf.
    DeDe stöhnte. Ehe sie wieder loslegen konnte, sagte Mary Ann: »Die Kinder sind Chinesenmischlinge. Sie hatten pelzbesetzte Parkas an. Ich denke, Sie würden sich an sie erinnern, wenn …« Die Frau war zur Salzsäule erstarrt; weitere Fragen waren zwecklos. Mary Ann wandte sich an DeDe, die vor Wut kochte: »Ich denke, wir gehen besser.«
    DeDe erdolchte ihre Widersacherin mit Blicken, bis diese außer Sichtweite war.
    In der nächsten Autovermietung verhandelte DeDe allein, während Mary Ann sich in einem Motel direkt daneben nach einem Lexikon erkundigte. Der Mann am Empfang zog ein arg mitgenommenes Buch hervor, in dem Mary Ann gleich in der Eingangshalle nachschlug.
    Sie fand folgendes:
     
    Diomedes, grch. Mythos: 1) König von Argos, ein Held des Trojan. Krieges (5. Gesang der »Ilias«). 2) König in Thrakien, Sohn des Ares. Seine Menschenfleisch fressenden Rosse bezwang Herakles und warf ihnen D. selbst zum Fraß vor.
     
    Als DeDe aus der Autovermietung kam, wartete Mary Ann schon auf der Straße.
    »Was gefunden?« fragte DeDe.
    »Nein, leider nicht.«
    »Gab es kein Lexikon?«
    »Doch. Aber Diomedes war nicht drin.«
    »Da drüben ist ein Buchladen. Vielleicht kann man uns da weiterhelfen.«
    Mary Ann schüttelte den Kopf. »Ich glaub, das ist ein totgeborenes Kind.« Kluges Mädchen, sagte sie zu sich. Dir fällt auch zu allem der passende Spruch ein.
    DeDe blieb hartnäckig. »Auf dem Schild steht: (Spezialabteilung zu Alaska). Wenn jemand was weiß, dann hier. Den Versuch ist es auf jeden Fall wert. Los jetzt.«
    Überall in dem kleinen Buchladen lagen stapelweise verstaubte Bücher: auf Regalen, auf Tischen, auf dem Fußboden. Aber es war kein Mensch zu sehen.
    »Hallo!« brüllte DeDe.
    Keine Antwort.
    »Ich finde, wir sollten an den Anlegern für die Wasserflugzeuge nachfragen«, sagte Mary Ann und schob sich zentimeterweise in Richtung Ausgang.
    »Halt … ich hör jemand.«
    Der Besitzer, ein Doppelgänger von Ichabod Crane, tauchte aus dem hinteren Raum auf. »Ja, meine Damen. Kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich hoffe«, sagte DeDe. »Wir brauchen eine Auskunft. Wissen Sie, was das Wort ›Diomedes‹ bedeutet?«
    Der Mann lächelte sofort und ließ eine beträchtliche Zahnlücke sehen. »Sie meinen die Diomedes.« Er hätte genausogut über alte Freunde sprechen können, über die Martins oder die Browns. »Was wollen Sie darüber wissen?«
    »Zuerst«, sagte DeDe, »was sie eigentlich sind«.
    »Inseln«, antwortete der Buchhändler.
    »Gott sei Dank!« sagte Mary Ann.
    DeDe drehte sich zu ihr um und sah sie fragend an.

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