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Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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Kerl mit den Kaninchen führen. Und hinterher, dachte ich, könnten wir bei den Autoverleihern und den Flugdiensten nachfragen.«
    Es folgte längeres Schweigen. Mary Ann rang mit der aberwitzigen Aussichtslosigkeit ihrer Suche. Dann sagte sie: »DeDe … glauben Sie nicht …?« Doch sie unterbrach sich, weil sie nicht riskieren wollte, illoyal zu erscheinen.
    »Was?« hakte DeDe nach. »Sagen Sie’s.«
    »Na ja … ich hab einfach das Gefühl, daß wir Zeit verlieren, wenn wir alles selber machen. Aber wenn wir zur Polizei gehen, geben sie eine Fahndung raus. Oder tun sonst irgendwas.«
    »Das wäre dasselbe wie eine Pressemitteilung.«
    »Wir müssen ihnen ja nicht sagen, welchen Verdacht wir haben … nur, daß er sich die Kinder geschnappt hat.« Für Mary Ann zählte sowieso nur eines: daß dieZwillinge entführt worden waren. Der Entführer war ihr nicht so wichtig.
    DeDe schenkte sich Kaffee nach. »Entscheidend ist aber nicht, was die Polizei weiß, sondern, was er weiß.«
    »Aber er wird doch nicht annehmen, daß wir …?«
    »Ich kenne diesen Kerl, Mary Ann. Sie vergessen das immer wieder.«
    »Aber, wie können Sie so sicher sein, daß er nicht … die Kaninchen sind doch Beweis genug für seine …«
    »Die Kaninchen sind nichts als Symbolik … und schlechte noch dazu. Er hat eine Schwäche für große Gesten. Das war bloß seine Art … den Daddy zu spielen.«
    »Aber, warum glauben Sie, daß er den Kindern nichts antut?«
    DeDe zuckte mit den Schultern. »Weil er sie liebt.«
    »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!«
    »Jedenfalls sieht er das so. Was ist in Jonestown denn passiert? Wann hat das Morden denn angefangen? Als sich die Außenwelt in seinen persönlichen Traum von Frieden und Liebe eingemischt hat. Dem Massaker bin ich entgangen, Mary Ann, und ein zweites werd ich nicht zulassen. Wenn ich meine Kinder lebend zurückhaben will, muß ich sie finden, bevor die Medien auf Jones aufmerksam werden. So einfach ist das.«
    Das Frühstück war eine Qual. Prue war ein Nervenbündel, und Mrs. Halcyon war sogar ein noch größeres Nervenbündel. DeDe blieb, was man ihr hoch anrechnen mußte, die ganze Zeit ruhig und sprach ihre Mutter und die Kolumnistin im Austausch für deren absolutes Stillschweigen über die Ereignisse von aller Schuld frei. Prue hatte keine Schwierigkeiten, sich dieser Bedingung zu unterwerfen; Mrs. Halcyon tat es nur sehr widerstrebend.
    DeDe ließ natürlich nicht durchblicken, daß sie wußte, wer der Entführer war.
    Auf dem Weg zum Flughafen zeigte Prue ihnen das Haus, in dem der Mann mit den Kaninchen wohnte. Mary Ann notierte sich rasch die Adresse. Ihr wurde von Minute zu Minute unheimlicher zumute. Eine halbe Stunde später waren Prue und Mrs. Halcyon mit Ziel San Francisco in der Luft, und Mary Ann und DeDe unterhielten sich mit dem letzten bekannten Zeugen der Entführung.
    »Ich war grad in der Küche, wie’s passiert ist«, sagte der Kaninchenzüchter. »Er ist mit den Kindern bei den Ställen gewesen. Erst wie ich hier draußen war, hab ich mitgekriegt, was passiert ist, aber da war’s schon zu spät.«
    Mary Ann machte ein reumütiges Gesicht. »Es tut uns schrecklich leid um …«
    »Und er hat nichts gesagt?« unterbrach DeDe sie. »Gar nichts?«
    »Zum Teufel noch mal, nein! Er ist einfach ausgebüxt. Später hab ich dann ein Streichholzbriefchen gefunden hier draußen. Das muß ihm wohl runtergefallen sein. Aus dem Red Dog Saloon in Juneau. Hilft Ihnen das was?«
    »Haben Sie das Briefchen noch?« fragte DeDe.
    »Moment«, sagte der Mann. Er ging ins Haus und kam gleich darauf mit dem Streichholzbriefchen wieder. DeDe drehte es einmal um und machte es dann auf. Mit Filzstift stand dort ein Wort geschrieben: DIOMEDES.
    »Diomedes«, sagte DeDe an den Mann gerichtet. »Wissen Sie, was das bedeutet?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Tut mir leid.«
    In Gedanken legte DeDe das Streichholzbriefchen schon ad acta. Stirnrunzelnd sagte sie: »Wahrscheinlich hat es gar nichts zu bedeuten.«
    »Moment!« stieß Mary Ann hervor.
    »Ja?«
    »Diomedes. Das hat Prue gehört. Nicht ›per pedes‹ – Diomedes!«

Definitionen
    Diomedes.
    Das hörte sich irgendwie nach Wissenschaft an. Nach was Chemischem vielleicht. Man konnte auch auf eine Figur aus der Antike wie Diogenes oder Archimedes schließen. Mary Ann folgerte jedoch, daß die Wurzeln des Begriffs in der Geographie zu finden sein mußten, da Mr. Starr das Wort im Gespräch mit einem Piloten benutzt

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