Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten
und schloß die Augen. Als sie sie wieder aufmachte, heulte sie fast. »Er hat mich gezwungen, mir die zwei Kaninchen anzuschauen, denen … jemand das Fell abgezogen hatte.«
»O Gott«, murmelte Mary Ann.
DeDe blieb ungerührt. »Hat Ihr Freund das getan?«
Prue nickte. Sie kämpfte mit den Tränen. »Es ist so furchtbar. Ich kenn sonst niemand, der so was …«
»Waren die Felle noch da?« fragte DeDe. Mary Ann überlief es kalt. Worauf wollte DeDe bloß hinaus?
Prue dachte kurz nach. »Ich glaub nicht. Aber vor lauter Blut hab ich …«
»Und von diesem eleganten Mann, wie Sie ihn beschreiben, wissen Sie nicht mehr, als daß er ein amerikanischer Börsenmakler ist, der in London lebt. Was hat er eigentlich ausgerechnet auf dieser Kreuzfahrt gesucht?«
»Was soll das heißen?« sagte Prue.
»Finden Sie nicht auch, daß das hier für ihn ein bißchen weit ab vom Schuß ist?«
Die Kolumnistin schüttelte langsam den Kopf. »Nein. Ich meine … er hat anscheinend genug Geld, um …«
»War er Ihr Liebhaber?«
Prue war sprachlos.
»War er’s?«
»Ich wüßte nicht, was …«
»Ich frage aus einem bestimmten Grund. Haben Sie ihn je ausgezogen gesehen?«
Prues Empörung war kolossal. »Jetzt reicht’s aber! Das mit Ihren Kindern tut mir leid, aber Sie haben kein Recht …«
»Es wird Ihnen sogar noch mehr leid tun, wenn erst mal die Polizei davon erfährt. Von der Presse ganz zu schweigen.«
Prue begann zu schluchzen. »Woher hätte ich denn wissen sollen, daß er so was …«
»Ich weiß.« DeDes Ton war jetzt freundlicher. Sie griff nach der Hand der Kolumnistin. »Es ging ja nicht nur Ihnen so.«
Prue heulte weiter, bis ihr aufging, was DeDe damit meinte. »Sie kennen ihn?« fragte sie entgeistert.
»Ich glaube, ja«, sagte DeDe leise. Sie wandte sich an Mary Ann. »Die Angelegenheit ist etwas delikat. Würden Sie uns für einen Moment entschuldigen?«
Mary Ann schoß hoch. »Natürlich … ich … wann sollen wir uns …?«
»Ich komm dann rüber in unser Zimmer«, sagte DeDe. »In einer halben Stunde?«
»Gut«, sagte Mary Ann.
Es wurde eher eine Stunde.
Als DeDe erschien, sah sie völlig erschöpft aus. »Können wir irgendwo was trinken gehen?«
»Sicher. Sind Sie okay?«
»Klar.«
»Konnten Sie denn rausfinden, ob …«
»Er ist es«, sagte DeDe.
»Woher wissen Sie das?«
DeDe ging ans Fenster und starrte in die Dunkelheit hinaus. »Spielt das eine Rolle?«
Mary Ann zögerte. »Früher oder später schon.«
»Könnten wir dann … später drüber reden?«
Es folgte verlegenes Schweigen. Dann sagte Mary Ann: »Ich mußte die ganze Zeit an die Kaninchen denken.«
»Ja?«
»An das Kinderlied, das er immer gesungen hat: ›Bye baby bunting, Daddy’s gone a-hunting …‹«
DeDe sagte den Schluß auf: »›Gone to get a rabbit skin to wrap the baby bunting in.‹«
»Sie haben schon daran gedacht«, sagte Mary Ann.
»Ja«, antwortete DeDe matt, »ich hab schon daran gedacht.«
An der Heimatfront
Mary Anns Telefon klingelte wie verrückt.
Brian stand auf dem Treppenabsatz vor ihrer Wohnungstür und überlegte, ob er sich verantwortlich fühlen sollte. Sie hatte ihn nicht gebeten, sich während ihrer Abwesenheit um ihre Angelegenheiten zu kümmern. Mehr noch – sie hatte ihm nicht einmal gesagt, wohin sie fuhr. Und diese Kränkung war ihm so peinlich, daß er sie keinem eingestehen wollte.
Der Anrufer ließ allerdings nicht locker.
Mehr aus Neugier als sonstwas rannte er die Stufen zu seiner winzigen Wohnung hoch und begann eine hektische Suche nach seinen Schlüsseln zu Mary Anns Wohnung.
Als er sie gefunden hatte, lief er wieder nach unten, schloß die Tür auf und hechtete zum Wandtelefon in Mary Anns Küche.
»Ja doch, ja.«
»Wer spricht?« fragte eine Männerstimme.
»Sid Vicious. Und wer spricht dort?« Er konnte es nicht leiden, wenn sich Leute am Telefon nicht zu erkennen gaben.
Nach langem Schweigen: »Ist das die Wohnung von Mary Ann Singleton?« Der Kerl war verärgert, wie Brian mit einigem Vergnügen feststellte.
»Sie ist grade nicht in der Stadt. Versuchen Sie’s doch in ein paar Tagen wieder.«
»Wissen Sie, wo sie hin ist?«
Das war zuviel. »Hören Sie mal … wer sind Sie denn überhaupt?«
»Larry Kenan«, erwiderte der Anrufer. »Ms. Singletons Boss.« Seine Stimme triefte vor Sarkasmus.
»Ach so … ich verstehe. Mary Ann hat Sie mal erwähnt. Der Nachrichtenchef, stimmt’s?«
»Genau.«
»Ich bin Brian Hawkins. Ihr Verlobter.« Es
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