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Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten

Titel: Stadtgeschichten - 03 - Noch mehr Stadtgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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war das erste Mal, daß er diesen Ausdruck auf sich anwandte. Es hörte sich seltsam altmodisch an, doch er freute sich immens darüber. Jetzt war alles offiziell, dachte er.
    »Schön«, sagte der Nachrichtenchef. »Dann können Sie ihr sagen, daß sie ganz schön in der Scheiße sitzt.«
    »Worum geht’s denn?« fragte Brian. Er versuchte, seinem Ton einen Anflug von verantwortungsbewußter Besorgtheit zu geben.
    »Es geht darum«, blaffte Larry, »daß sie uns gestern versetzt hat. Und zwar zwanzig Minuten vor der Sendung! Darum geht’s, Mr. Hawkins.«
    Brian schaltete schnell. »Hat sie es Ihnen nicht gesagt?«
    »Was?«
    »Ihre Großmutter ist gestorben. Ganz unerwartet. In Cleveland.« Brian zuckte bei dieser abgedroschenen Ausrede zusammen. Es gab wohl nichts, wofür eine tote Großmutter nicht schon hatte herhalten müssen.
    »Tja … das tut mir leid … aber hier hat sie kein Wort davon gesagt … nicht ein Wort. Es gibt schließlich so was wie Professionalität. Wir waren aufgeschmissen. Pater Paddy hat den Film ansagen müssen.«
    »Das hab ich gesehen«, sagte Brian. »Und ich fand ihn ziemlich gut.«
    »Tja, sagen Sie Ihrer Freundin, daß sie besser am Freitag bei mir auf der Matte steht – oder sie fliegt. Verstanden?«
    Brian hätte ihm am liebsten gesagt, er solle ihm den Buckel runterrutschen. Statt dessen sagte er: »Bis dahin ist sie sicher wieder da. Sie meldet sich garantiert bei mir. Dann werd ich es ihr gern ausrichten. Tut mir leid. Es war bestimmt keine Absicht …«
    »Am Freitag«, sagte Larry Kenan. »Wenn nicht, dann finito. «
     
    Brians Gesicht glühte vor Zorn, als er auflegte. Obwohl sein Ärger größtenteils dem Nachrichtenchef galt, war er auch Mary Ann böse, weil sie ihm zu wenig Informationen gegeben hatte, um sie ausreichend decken zu können.
    Was steckte überhaupt hinter ihrer überstürzten Abreise? Wahrscheinlich hatte es mit ihrer Story über DeDes Rückkehr aus Guyana zu tun. Und das konnte sogar heißen, daß sie noch in der Stadt war – vielleicht saß sie in Hillsborough und legte letzte Hand an ihr Werk.
    »Ich verreise.« Das war alles gewesen, was sie ihm gesagt hatte. »Ich bin wahrscheinlich ein paar Tage weg. Mach dir also keine Sorgen um mich. Ich ruf dich an, sobald ich kann. Ach, ich bin so glücklich, daß wir heiraten.«
    Prima. Aber wo war sie?
    Er fand ihren Adreßkalender und schlug die Nummer der Halcyon-Residenz in Hillsborough nach. Als er sie wählte, bekam er ein Hausmädchen an den Apparat, das Vom Winde verweht entsprungen sein mußte. Es sagte, daß niemand da sei.
    Sobald er aufgelegt hatte, klingelte das Telefon erneut. Er bemühte sich diesmal um einen freundlicheren Ton, als er wieder abhob.
    »Ist Mary Ann zu sprechen?« Die Frauenstimme kam ihm merkwürdig bekannt vor.
    »Sie ist in Cleveland«, antwortete er, damit keine Widersprüchlichkeiten entstanden. »Sie müßte am Freitag wieder zurück sein.«
    »Könnten Sie ihr was ausrichten?«
    »Klar.«
    »Sagen Sie ihr, daß ich die Unterlagen gefunden habe, die sie im Sender liegengelassen hat. Ich muß sie unbedingt sprechen. Es ist sehr dringend.«
    »Okay. Und wer spricht, bitte?«
    »Bambi Kanetaka. Soll ich’s buchstabieren?«
    »Nein«, sagte Brian. »Ich weiß schon. Sie sind die Moderatorin, nicht? Eine Berühmtheit.«
    »Sagen Sie ihr, daß mich die Story total heiß gemacht hat.«
    Brian unterdrückte ein Lachen. Nach Mary Anns Schilderungen war Bambi Kanetaka ohnehin dauernd heiß – in anderer Hinsicht.
    »Sagen Sie ihr, daß ich Larry nichts verrate, bis sie mich anruft … aber sie muß mich so bald wie möglich anrufen. Wenn nötig sogar aus Cleveland. Haben Sie verstanden?«
    »Ich denke schon«, sagte Brian.
    Und jetzt? dachte er. Was nun?

Per pedes
    Mary Ann hatte im Potlach House eine unruhige Nacht.
    Zweimal wurde sie durch DeDes Schreie wach, und sobald sie wieder in den Schlaf sank, fiel sie ihren eigenen Alpträumen zum Opfer. Um halb acht rettete sie der Morgen.
    DeDe war bereits auf. Sie trank eine Tasse schwarzen Kaffee und studierte eine Landkarte. Als sie merkte, daß Mary Anns Augen offen waren, lächelte sie entschuldigend und sagte: » Die Nacht der lebenden Toten, hm?«
    Mary Ann lächelte zurück. »Wir schaffen das schon.«
    »Wollen Sie Kaffee?«
    »Ich glaub, ich warte noch«, sagte Mary Ann. »Ich steh so schon genug unter Strom.«
    DeDe schaute wieder auf die Landkarte. »Wir frühstücken mit Prue, wenn es Ihnen recht ist. Sie soll uns zu dem

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