Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen
weglaufen sollen …«
»Warum hast du das eigentlich gemacht?«
Sie schaute weg. »Ich weiß nicht … mir war ein bißchen mulmig wegen der ganzen Geschichte. Außerdem war einer vom Innenministerium dabei, und die ganze Vorstellerei wär mir peinlich gewesen. Ich hab mir gedacht, ich schreib dir’s mal in einem Brief.«
»Es hat ausgesehn, als ob du jemand suchst.«
»Hab ich auch«, sagte sie. »Teddy.«
»Hast du nicht gesagt, du warst mit ihm zusammen unterwegs?«
»Ja, aber da nicht mehr. Wir haben zu dritt in einem Gasthaus am Park gegessen. Anschließend haben wir Teddy aus den Augen verloren. Man kann diesen Mann nicht in die Nähe von Sträuchern lassen.«
Er schmunzelte.
»Wenn du das komisch findest, hättest du mal hören sollen, wie ich es dem Mann vom Innenministerium verklickert hab.«
Er drückte sie kurz an sich. »Mir geht’s wieder gut. Los jetzt, laß dich trauen.«
»Du hast meine Frage noch nicht beantwortet.«
»Welche?«
»Hast du mich gern?«
Er lächelte sie an. »Ja.«
»Kommst du mit zur Trauung?«
»Ich glaub, ich bleib noch ein bißchen hier. Macht’s dir was aus?«
Sie hob die Hände. »He … ist doch nicht so wichtig.« Sie gab ihm einen Kuß auf die Wange. »Komm dann aber zum Empfang. Ich hab ’ne kleine Überraschung für dich.«
»Was?«
»Da mußt du schon kommen, Mouse.«
»Tja, meine Klamotten sind nicht grade …«
»Sieh dir das an, die arme Braut hat Dreck an den Schuhen. Mach du dir mal keine Gedanken.« Sie raffte ihr Kleid und machte sich an den tückischen Abstieg.
»Ich mag keine Überraschungen«, rief er ihr nach.
»Die wirst du mögen«, rief sie zurück. »Wehe, wenn nicht.«
»Wo ist der Empfang?«
»In der großen Halle.« Sie trat in ein Maulwurfsloch und fluchte.
»Hals- und Beinbruch!«
»Leck mich«, gab sie zurück.
Die Freude über ihr vertrautes Gebelfer hielt ihn warm, während er noch eine halbe Stunde im Pavillon saß und in der Dunkelheit den Duft der Wiesenblumen genoß, bis die letzten Orgelklänge wie das Donnern eines Sommergewitters im Tal verhallt waren. Dann stand er auf, klopfte sich den Staub vom Hosenboden und ging langsam den Abhang hinunter.
Er betrat Easley House durch die Küche und orientierte sich am gedämpften Stimmengewirr der Gäste. In der großen Halle standen ein paar Dutzend Menschen und machten Konversation. Ein Streichquartett spielte, und an einem langen Tisch vor dem Fenster wurde Champagner ausgeschenkt.
»He, Mann!« rief Wilfred und schlängelte sich zu ihm durch.
»He, Kleiner.«
»Wo bist du gewesen?«
»Oben im Pavillon.«
»Geht’s dir gut?«
»Klar. Prima.«
»Die Trauung war super.«
»Gut. Mona sagt, sie hat eine Überraschung.«
Der Junge warf ihm einen Seitenblick zu. »Du weißt es schon?«
»Was?«
Wilfred kicherte. »Von mir erfährst du nichts, Mann.«
»Also komm …«
»Ich hol uns Champagner.« Er huschte wieder davon. Michael kam mit einem netten älteren Herrn ins Gespräch. Wie sich herausstellte, handelte es sich um Mr. Hargis, den Gärtner. Sie fachsimpelten über Blumen. Das gefiel ihm an England – hier durften sich Männer noch ernsthaft über Blumen unterhalten.
Als Wilfred den Champagner brachte, wirkte er pikiert. »So ’n alter Knacker.«
»Wer?« fragte Michael und ließ sich ein Glas geben.
»Da vorne … der olle Glatzkopf an der Bar.«
»Was hat er gemacht?«
»Er hat mir ’n halbes Pfund gegeben und gesagt, ich soll seine Golftasche holen.«
»Ach nee.«
»Doch. Er hat gesagt: › Hol meine Golftasche und sag Bob Hope, ich erwarte ihn im Clubhaus.‹«
»Sollte bestimmt ein Scherz sein.«
»Ich hab ihm gesagt, er kann mich mal.«
Mona kam auf die beiden zu. »Hallo, Jungs.«
»Hallo«, sagte Michael. »Ist Bob Hope da?«
»Wie?«
»Jemand hat Wilfred gesagt, Bob Hope war da.«
Sie furchte einen Moment die Stirn, dann begriff sie und verdrehte die Augen. »Der Mann da an der Bar, nicht?«
»Ja, der«, sagte Wilfred.
»Das ist der Earl«, erklärte ihm Mona. »Teddys Vater. Wir hatten vorhin schon einen reizenden Plausch über Betty Ford. Wenn du nett zu ihm bist, macht er dich mit ihr bekannt.«
Michael war sprachlos. »Betty Ford ist hier?«
»Niemand ist hier«, sagte Mona. »Er ist ein lieber alter Opa, aber er hat ein Rad ab.« Sie wandte sich an Wilfred. »Hast du Teddy gesehen?«
Der Junge nickte. »Er sagt es grade Fabia.«
»Moment mal«, sagte Michael. »Fabia?«
»Fabia Crisps« ,sagte Wilfred.
Michael konnte
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