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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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sagte er.
    »Danke.«
    »Und ich danke dir, daß du so nett zu Wilfred bist.«
    »Spinnst du? Wir sind wie füreinander geschaffen. Er sagt, du hast in London diese Fabia getroffen.«
    »Fabia Dane?«
    »Ja, die.«
    »Es war bizarr. Sie ist in die Wohnung gekommen, die ich da habe, und hat sich aufgeführt wie die Axt im Walde. Ist sie es, die das Haus kaufen will?«
    »Wollte«, sagte Mona.
    »Herrje … da ist ihnen ja ihr neuer Landsitz …« Er mußte lachen, als ihm die Situation bewußt wurde. »Ich sollte Simon ausrichten, daß er hier im Sommer zu einer Party eingeladen ist.«
    »Simon?«
    »Der Bursche, mit dem ich die Wohnung getauscht hab.«
    »Aha. Na, dann sag ihm, die Einladung gilt trotzdem. Ist er nett?«
    »Sehr. Und attraktiv.«
    »Schön für dich.«
    »Nein, er ist nicht schwul.«
    »Dann schön für jemand andern.«
    »Interessieren dich Männer gar nicht mehr?«
    Sie nickte bedächtig. »Und umgekehrt. Ich bin jetzt ’ne einfache englische Lesbe vom Land, daß du mir das nicht vergißt.«
    »Es steht dir«, meinte er lächelnd.
    »Ja?«
    »Ja. Wirklich.«
    »Man kann hier total urig sein. Die Leute hier sind sogar extrem urig, Mouse. Es hat sich noch nicht rumgesprochen, aber es ist so.«
    Er nickte.
    »Ich werde nie eine Lippenstiftlesbe. Ich hasse solchen Schmant im Gesicht.«
    »Diesen Schmant.«
    »Was?«
    »Du bist geschminkt, Mona.«
    »Na schön. Aber heut ist auch meine Hochzeit.«
    Michael lachte. »Deine platonische Hochzeit.«
    »Meine platonische Hochzeit. Genau.« Sie sah sich nervös um. »Ich muß zu Teddy runter und ihm helfen, die platonischen Gäste zu verabschieden.« Sie gab ihm einen flüchtigen Kuß auf die Wange. »Bleib hier. Laß dir Zeit. Da hast du was zu rauchen.« Sie zog einen dicken Joint aus ihrem verschnürten rosa Mieder. »Das ist einer von Teddys Joints. Mit Hasch drin.«
    Er nahm den Joint. »Danke, Kleines.« Es war schon fast gespenstisch, wie sehr sie ihn an Mrs. Madrigal erinnerte.
    »Wenn du richtig vollgeknallt bist«, riet sie ihm, »geh runter und schau dir durch das Fenster in der großen Halle den Mond an. Und achte mal auf die Graffiti im Glas. Die haben Teenager vor dreihundert Jahren da reingeritzt.«
    »Ist gut«, sagte er.
    »Und nachher kommst du auf einen Kaffee in die Küche. Teddy will dir seine Dias aus San Francisco zeigen.«
    Er lachte glucksend.
    »Und sei vorsichtig mit diesen blöden Stufen, wenn du runtergehst. Ich hab dich gern, Michael Mouse.«
    »Ich dich auch, Schwester.«
    Sie verschwand im Dachboden.
    Er zündete den Joint an und betrachtete die Prozession der Scheinwerfer, die sich in Richtung Easley-on-Fen schlängelte. Gelächter hallte durch die Nacht, und auf den Kieswegen knirschten die Schritte. Er hörte einen Kuckuck rufen. Einen echten. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt einen Kuckuck gehört hatte. Falls überhaupt.
    Wilfred kam zu ihm heraus. »Lady Mo hat mir gesagt, daß du hier oben bist.«
    »Lady Mo, hm?« Er lachte.
    »Den Namen hab ich mir ausgedacht.«
    »Find ich toll … Lady Mo!«
    Wilfred grinste ihn an. »Bist du bedröhnt?«
    »Ein bißchen schon. Da.« Er hielt Wilfred den Joint hin. Der machte einen kurzen Zug und gab ihn zurück. »Ich hab mir mein Zimmer ausgesucht«, sagte der Junge. »Willst es sehn?«
    »Klar, Kleiner. Gleich.«
    »Geht’s dir gut?«
    »Bestens.«
    »Ja … mir auch.«
    »Sieh dir an, wo wir hier sind, Wilfred. Alles echt! Es gibt tatsächlich noch Orte, die so aussehen!« Er zupfte einen Klumpen Moos von der steinernen Brüstung und warf ihn hinunter.
    »Also, was ist jetzt, Mann?«
    »Wieso?«
    »Na«, sagte Wilfred, »du bleibst doch, oder?«

Das längste Osterwochenende aller Zeiten
    Simon, den Koffer in der Hand, stand reisefertig an ihrer Tür. »Ich hab einen früheren Flug erwischt«, sagte er, »aber ich könnte es sicher noch rausschieben, bis du was hörst.«
    »Nein, es geht schon«, sagte sie.
    »Bestimmt?«
    Sie nickte. »Er kommt wieder. Es sind ja erst sieben Stunden oder so.« Es war das längste Osterwochenende aller Zeiten.
    »Paß auf«, sagte er und stellte seinen Koffer ab. »Was hältst du davon, wenn ich Theresa anrufe? Sie kennt mich nicht, und wir könnten wenigstens rausfinden, ob er bei ihr ist.«
    »Nein, laß man. Er hat sich schon öfter verkrümelt.«
    »Oh … verstehe.«
    »Natürlich nicht wegen so was.«
    Er grinste verlegen. »Natürlich.«
    Sie sah ihn einen Augenblick an und schlang ihm die Arme um den Hals. »Ach, Simon, du

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