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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
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dann das hier?«
    Sie wälzte sich herum und küßte ihn auf den Nabel. »Weil ich dich sehr mag. Und weil ich’s gern tue, ohne an Kinderkriegen zu denken.«
    »Du bedauerst es nicht, hm?«
    »Nein.«
    »Es hat deine Ehe nicht restlos zerrüttet?«
    Sie lächelte und knuffte ihn in die Rippen.
    »Ich frag ja nur.«
    »Brian bedeutet mir nicht alles, aber … er ist die einzige Konstante in meinem Leben.«
    »Du mußt dich nicht rechtfertigen.«
    »Es würde lange dauern, bis ich meine Gefühle für ihn verliere. Ich hab lang genug gebraucht, sie zu entwickeln. Er ist wie ein … Labyrinth, in das ich mich verirrt habe.«
    »Du bist gescheiter als er«, sagte er.
    »Ich weiß. Das macht mir nichts. Er gibt mir was anderes.« Sie verlagerte ihr Gewicht und küßte ihn noch einmal. »Du hast mir auch was gegeben.«
    »Was?«
    »Oh … eine neue Sicht.«
    »Auf deinen Mann.« Er sagte es ohne boshaften Unterton.
    »Nicht nur das.«
    »Dann … freut es mich.«
    »Ich werd an dich denken«, sagte sie.
    »Ich auch an dich«, sagte er. »Müssen wir auf die Zeit achten?«
    »Hm?«
    »Wegen Brian.«
    »Ach … der kommt erst heute nachmittag wieder.«
    Er lachte in sich hinein. »Ich hätte wissen müssen, daß du das weißt.«

Auf frischer Tat
    DieUhr des Le Car zeigte 8:23, als Brian auf der Leavenworth parkte und den Holzsteig zur Barbary Lane erklomm. Vögel zwitscherten in den Eukalyptusbäumen, und der getigerte Kater aus der Nachbarschaft hatte sich bereits ein sonniges Plätzchen auf dem ersten Treppenabsatz gesichert. Brian ging in die Hocke und kraulte dem alten Stromer den Bauch.
    »Wie geht’s, Boris? Schöne Ostern? Ach, du hast nicht gewußt, daß Ostern ist? Na, dann wach mal auf und schnupper den Kaffee, Alter!«
    Unten an der steil ansteigenden Straße kamen zwei chinesische Dreikäsehochs aus einem Haus und stritten sich um ein Plüschtier, das größer war als sie beide. Er beobachtete sie eine Weile, dann formte er die Hände zu einem Trichter vor dem Mund und rief: »He, Jungs!«
    Das Gezeter hörte auf. Sie sahen zu ihm hoch.
    »Hat euch das der Osterhase gebracht?«
    Sie gaben keine Antwort, sondern standen nur da und starrten den Verrückten auf der Treppe an.
    »Immer schön cool bleiben«, sagte er.
    Die Kinder verzogen sich ins Haus und kamen Sekunden später mit ihrer Mutter wieder heraus.
    Brian winkte den dreien zu. »Fröhliche Ostern!« schrie er.
    Die Frau winkte halbherzig zurück und bugsierte die Kinder zurück ins Haus.
    Brian richtete sich auf und ging durch den Blätterwald der Barbary Lane. Als er das Haus erreichte, fielen ihm die rosa Hyazinthen auf, die aus der lockeren dunklen Erde sprossen, wo die Urne mit Jons Asche vergraben war. Zweifellos eine gute Tat von Mrs. Madrigal.
    Da die Vermieterin wahrscheinlich noch schlief, achtete er darauf, die Haustür besonders leise hinter sich zu schließen. Er durchquerte auf Zehenspitzen die Diele, und auf der mit Teppichläufern belegten Treppe wich er den vertrauten knarrenden Stellen aus.
    Im ersten Stock hörte er ein Geräusch aus Simons Wohnung. Der Engländer war also schon auf. Einen Augenblick war er unschlüssig. Soll ich anklopfen und ihm von meiner Nacht mit der Rockwitwe erzählen?
    Ja, warum eigentlich nicht?
    Die Klingel war zu laut, also klopfte er an die Tür, Drinnen hörte er Bewegung, aber niemand kam.
    Er klopfte noch mal.
    Schritte.
    Das Rasseln der Türkette.
    Die Tür ging einen Spalt auf, und Simon spähte heraus. »Oh … hallo.«
    »Ich hoffe, ich hab dich nicht geweckt«, sagte Brian leise.
    »Na ja … äh … nicht direkt.«
    »Ich bin zurück vom Einsatz«, sagte Brian grinsend.
    »Was?«
    »Theresas Fete.«
    »Ah …«
    »Wir haben uns die ganze Nacht die Nase gepudert.«
    Simon nickte.
    »Es war irre, Mann. Sie war spitz auf mich.«
    Simon zog eine Augenbraue hoch. »Ehrlich?« Er versuchte, sich beeindruckt zu geben, aber irgendwas lenkte ihn ab.
    Jetzt dämmerte es Brian. »Ach, herrje.« Er schlug sich mit dem Handballen an die Stirn. »Du hast Damenbesuch.«
    Simon blinzelte. Dann nickte er.
    »Entschuldige«, flüsterte Brian und setzte sich rückwärts ab. »Wir reden später.« Er hielt den Daumen nach oben und sagte: »Weitermachen, Sportsfreund.«
    Er stieg die Treppe zum zweiten Stock hoch und ärgerte sich über seine Blödheit. Das Coke hatte offenbar seinem Verstand zugesetzt. Es war Sonntagmorgen. Der Morgen nach dem Samstagabend. Da war kaum zu erwarten, daß Simon allein

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