Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armistead Maupin
Vom Netzwerk:
es nicht fassen. »Sie ist hier? Die Frau, die …«
    »Jetzt halt aber die Klappe«, sagte Mona zu Wilfred.
    Der Junge grinste und fügte sich.
    Michael sah von einem zum anderen, doch beide hielten eisern dicht. Sekunden später schlenderte Teddy in die große Halle und stellte sich zu ihnen. »Oh, Michael … wie schön. Ich freue mich sehr, daß Sie kommen konnten.« Er wandte sich an Mona. »Ich denke, wir haben jetzt alles geregelt.«
    »Wie hat sie’s aufgenommen?« fragte Mona.
    Teddy machte ein Gesicht. »Es war nicht sehr komisch.«
    »Kann sie … was unternehmen?«
    »Rein gar nichts, Schatz. Es ist noch nichts unterschrieben.« Er kletterte auf einen Shuffleboardtisch aus dem siebzehnten Jahrhundert und requirierte ihn als Rednertribüne. »Meine Freunde«, rief er. »Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten.«
    Das Gemurmel in der großen Halle verebbte.
    »Reizend«, sagte Lord Roughton. »Also … wie die meisten von Ihnen wissen, beabsichtige ich seit einiger Zeit, nach Kalifornien zu ziehen, um meine anthropologischen Studien fortzusetzen.«
    Wilfred sah zu Michael hoch und feixte.
    »Beherrscht euch, ihr beiden«, flüsterte Mona. Sie strahlte eine Würde aus, wie Michael sie noch nie bei ihr erlebt hatte.
    »Dieser Entschluß«, fuhr Teddy fort, »zwang mich, der unerfreulichen Tatsache ins Auge zu sehen, daß ich mich von unserem geliebten Easley würde trennen müssen.« Mitfühlendes Gemurmel der Anwesenden. »Glauben Sie mir, ich habe jede Anstrengung unternommen, damit das Anwesen in die Hände von Menschen gelangt, die es in seiner unbefangenen Schönheit erhalten würden.« Da und dort war liebevolles Kichern zu hören, als Teddy mit einem Lächeln zu einer schmächtigen weißhaarigen Frau in einem blaßgrünen Cocktailkleid hinuntersah. »So wünscht es sich meine Mutter … und wie sie mir versichert, hätte es auch mein Vater so gewollt.«
    »Ich dachte, er ist hier«, sagte Michael leise.
    »Ist er auch«, antwortete Mona.
    »Der olle Knacker«, sagte Wilfred.
    »Bei meinem letzten Aufenthalt in Amerika«, fuhr Teddy fort, »habe ich die außergewöhnliche Frau kennengelernt, die mir die Ehre erwiesen hat, Lady Roughton zu werden.« Als er die Arme nach Mona ausstreckte, wandten sich die Gäste ihr zu und applaudierten höflich. Sie antwortete mit einem unbehaglichen Lächeln und einem halbherzigen elisabethanischen Winken.
    Teddy strahlte sie mit aufrichtiger Zuneigung an. »Dieses reizenden Mädchen hat mich davor bewahrt, eine falsche Entscheidung zu treffen.«
    Mädchen, dachte Michael. Wer Mona ein Mädchen nannte, spielte mit seinem Leben.
    Mona sah ihn schmunzeln und reagierte, indem sie den Mittelfinger an ihre Schläfe hielt.
    »Um zur Sache zu kommen«, sagte Teddy. »Ich habe mir die ganze Angelegenheit noch einmal überlegt und mich gegen einen Verkauf von Easley entschieden.«
    Tosender, anhaltender Applaus rauschte durch die große Halle.
    Teddy schien hocherfreut. »Wohlgemerkt, ich werde nach wie vor die nächsten Jahre in Kalifornien verbringen … aber mein liebes Weib hat sich ritterlich erboten, hier in Easley zu bleiben und die Verwaltung … gewissermaßen den Vorsitz am Mietentisch … zu übernehmen.«
    »Mein Gott«, murmelte Michael.
    Mona grinste ihn an, griff nach seiner Hand und sah wieder zu Teddy hinauf.
    »Es ist eine undankbare Aufgabe, wie ich finde … und eine, für die ich mich immer weniger zu eignen scheine. Deshalb bin ich sehr dankbar, daß sie sich in dieser Weise engagiert … nicht nur für den Fortbestand von Easley, wie wir es kennen, sondern auch … für die Vervollkommnung meiner Bildung.« Er beugte sich zu Wilfred herunter. »Darf ich Ihr Champagnerglas entführen, mein Freund?«
    Der Junge reichte ihm sein Glas.
    Teddy richtete sich auf und prostete Mona zu. »Auf die Dame des Hauses!«
    Die Gäste fielen im Chor ein: »Auf die Dame des Hauses! «
    Allgemeiner Applaus. Teddy stieg vom Shuffleboardtisch herunter. Sein Lächeln galt immer noch Mona.
    »Ich danke dir«, sagte sie.
    »Ganz meinerseits«, gab er zurück.
    »Ich glaub es nicht«, sagte Michael.
    »Glaub es ruhig«, sagte Mona strahlend. Dann, zu Teddy: »Hast du sonst noch gesellschaftliche Verpflichtungen?«
    »Nein, das wäre alles. Wir sind fertig.«
    »Na fein. Wie wär’s, wenn du Wilfred hilfst, sich ein Zimmer auszusuchen? Michael und ich machen einen kleinen Spaziergang.«
    Mit einem Grinsen sagte Wilfred zu Michael: »Ich werd hier wohnen, Mann! Wie findste

Weitere Kostenlose Bücher