Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen
waren.
Philip rang sich ein mattes Grinsen ab.
»Was ist?« fragte sie.
»Homos«, sagte er.
»Wo?«
»Da, Liebes. Die mit dem Transparent.«
Sie warf einen Blick nach hinten und sah, daß sie vor einem Gebäude standen, das sich Arena nannte. »Sei nicht albern«, sagte sie. »Das sind irgendwelche Sportler.«
Ein heißer Tip von Mrs. Halcyon
Im Marina Safeway waren in der Woche vor dem Besuch von Elizabeth II englische Muffins, Imperial Margarine und Royal Crown Cola im Sonderangebot gewesen. Der Flag Store in der Polk Street hatte einen Ansturm auf britische Fahnen gemeldet, und nicht weniger als drei Bars im Castro-Distrikt hatten es unternommen, Wettbewerbe für »Betty Windsor« -Tucken auszurichten.
All dies und mehr war von Mary Ann Singleton – und tausend anderen Reportern – in den aufreibenden Tagen, die dem königlichen Besuch vorausgingen, gewissenhaft dokumentiert worden. Mary Ann hatte auf ihrer Suche nach queenmäßigen Bezugspunkten Tea Rooms in der Maiden Lane abgeklappert, irische Bars in North Beach und Bäckereien in den Avenues, wo rosenwangige Chicanas Steak-und-Nieren-Pasteten für »Olde English« -Restaurants produzierten.
Kein Wunder also, daß das Eintreffen Ihrer Majestät alle aufatmen ließ, aber auch ein enttäuschendes Gefühl der Leere auslöste. Gepeinigt vom unaufhörlichen Regen warteten Mary Ann und ihr Kameramann fast eine ganze Stunde vor dem Hotel St. Francis, nur um feststellen zu müssen (als es schon zu spät war), daß die königliche Limousine diskret in der Tiefgarage des Hotels verschwunden war.
Mary Ann rettete, was noch zu retten war, und lieferte einen Livebericht von der Einfahrt der Garage. Dann schleppte sie sich nach Hause in die Barbary Lane 28, kickte die Schuhe von den Füßen, nahm den ersten Zug von einem Joint und rief ihren Mann bei der Arbeit an.
Sie verabredeten sich am Abend fürs Kino. Gandhi.
Sie wärmte sich gerade einen Rest Schmorbraten auf, als das Telefon läutete.
»–lo«, murmelte sie mit vollem Mund.
»Mary Ann?« Die forsche Patrizierstimme von DeDe Halcyon Day.
»Hallo«, sagte Mary Ann. »Du mußt entschuldigen, ich futtere mich gerade um den Verstand.«
DeDe lachte. »Ich hab deinen Bericht in Bay Window gesehen.«
»Na großartig«, sagte Mary Ann geknickt. »Sehr tiefschürfend, was? Ich schätze, jetzt reicht’s mir höchstens noch für einen Emmy.«
»Na, na. Du hast das einwandfrei gebracht.«
»Von wegen.«
»Und wir fanden deinen Hut gan2 toll. Er war viel schöner als der von der Bürgermeisterin. Sogar Mutter hat es gesagt.«
Mary Ann verzog das Gesicht, obwohl niemand was davon hatte. Es war zum erstenmal seit Jahren, daß sie einen getragen hatte, und sie hatte ihn nur aus Anlaß des königlichen Besuchs gekauft. »Freut mich, daß er euch gefallen hat«, sagte sie trocken. »Ich fand, daß er für eine Tiefgarage vielleicht ein bißchen aufwendig war.«
»Hör mal«, sagte DeDe, »warum bist du eigentlich nicht hier? Ich hatte erwartet, dich hier zu sehen.«
»Wo? In Hillsborough?«
DeDe gab einen mißmutigen Seufzer von sich. »Im Trader Vic’s natürlich.«
Die meisten Reichen sind nervig, entschied Mary Ann. Nicht weil sie anders sind, sondern weil sie so tun, als würden sie den Unterschied nicht merken. »DeDe«, sagte sie so ruhig, wie sie konnte, »das Trader Vic’s gehört nicht grade zu meinen Stammlokalen.«
»Na schön, aber … willst du sie denn nicht sehen?«
»Wen denn?«
»Die Queen, du Dummchen.«
»Die Queen ist im Trader Vic’s?« Totaler Unsinn.
»Moment mal«, sagte DeDe. »Du hast das nicht gewußt?«
»DeDe, um Gottes willen … ist sie da?«
»Noch nicht. Aber sie ist auf dem Weg hierher. Ich hatte fest damit gerechnet, daß dir der Sender Bescheid sagt …«
»Bist du sicher?«
»Irgend jemand ist sicher. Auf den Straßen wimmelt es von Bullen, und in der Captain’s Cabin sieht’s aus wie nach einer Opernpremiere. Schau, Vita Keating hat es Mutter gesagt, und Vita hat es von Denise Hale, also muß es wohl stimmen.«
Mary Anns Zweifel verharrten wie eine Narkose. »Ich hab eigentlich nicht gedacht, daß die Queen in Restaurants geht.«
DeDe lachte. »Tut sie auch nicht. Vita sagt, es ist das erste Mal seit siebzehn Jahren!«
»Meine Güte«, sagte Mary Ann.
»Wir haben jedenfalls Plätze ganz vorne«, fuhr DeDe fort. »Ich bin mit Mutter und D’or und den Kindern da, und wir würden uns freuen, wenn du dazukommen kannst. Mit Brian
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