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Stadtluft Macht Frei

Stadtluft Macht Frei

Titel: Stadtluft Macht Frei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Schwarz
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„freie Reichsstadt“ geworden, nun auch ganz offiziell. Was aber heißt das? Um das zu verstehen, um vor allem zu begreifen, was es mit der Zurückweisung der Ansprüche des Erzbischofs auf sich hat, werfen wir einen Blick auf den nächsten „Entwicklungssprung“, den Köln nach der dominanten Herrschaft ihrer geistlichen Stadtoberhäupter, Bruns und seiner Nachfolger, gemacht hat: die Entstehung einer unabhängigen Bürgerschaft.

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    |48| Ein städtisches Bürgertum entsteht
    I n der Geschichte der mittelalterlichen Stadt ist es im 11. und 12. Jahrhundert zu markanten Veränderungen gekommen. Diese Veränderungen wandelten die bisher bestehenden inneren Verhältnisse der Stadt völlig. Rückblickend erscheinen diese Jahrhunderte als eine Zeit, in der die Bewohner der Stadt, das heißt diejenigen, die wir heute „Bürger“ nennen, zunehmend die Kontrolle über ihre Siedlungen gewannen.
    Es war ein Kampf um mehr Selbstbestimmung, ein Kampf um Freiheit. Der Vorgang, den wir heute als „kommunale Bewegungen“ oder auch „Bürgerkämpfe des hohen Mittelalters“ bezeichnen, ist kompliziert und vielschichtig. Er geschah zum einen unter schweren Widerständen der traditionellen Mächte, doch zum anderen waren diese traditionellen Mächte selbst daran beteiligt. Die maßgebliche Form, in der sich dieser Vorgang vollzog, war die „Schwurgemein schaft “ oder die „geschworene Einung“
( coniuratio )
. Zumeist anlässlich |49| eines Konflikts mit dem Stadtherrn oder mit politischen Mächten in der Umgebung kamen hierbei die Bewohner einer Siedlung zusammen. Durch gegenseitige Leistung eines Eids verpflichteten sie sich zu gegenseitiger Hilfe.
    Bürger und Bürgertum
    Aus dem Westen Europas, aus Frankreich, kamen die Begriffe. Hier entwickelten sich die Vokabeln burgus, das heißt eine befestigungsnahe Siedlung und burgensis, das heißt die mit besonderen Rechten ausgestatteten Bewohner einer solchen Siedlung, also die Bürger. Erst allmählich wanderten diese Begriffe in Richtung Osten, nach Deutschland, hinein.
    Das große Ziel war dabei so gut wie immer, den Frieden oder das Recht zu sichern. Zunächst nicht mehr – doch das konnte schon viel sein; so viel, dass aus Sicht des traditionellen Stadtherrn aus der
coniuratio
eine
conspiratio
, eine Verschwörung wurde, die sich gegen ihn und seine Rechte zu stellen drohte. Oftmals blieb es nicht bei einer einmaligen Aktion. Aus dem bescheidenen Versuch, Frieden und Recht für einen bestimmten Augenblick zu sichern, wurde etwas, das in die Zukunft wirkte, etwas Dauerhaftes. Die Dauerhaftigkeit wurde noch gefestigt, wenn es gelang, diesen Einungen eine gemeinsame Stimme zu geben, eine Vertretung nach außen einzurichten. Noch einmal konnte sie gesteigert werden, wenn die Bürger auch nach innen gemeinsame Regelungen fanden, ihren Willen über den Augenblick hinaus auszudrücken – aus der Einwohnerschaft eines Ortes wurde dann eine Gemeinde, eine Kommune.
    Frieden und Gerechtigkeit –
    Die Entstehung der Kommune Mailand
    Auch wenn der Begriff des „Bürgers“ aus Westeuropa kommt, die Anfänge der Kommunebildung in Europa liegen in Italien, genauer gesagt: in Mailand. „Von allen Städten Italiens die städtischste“
( la città più città
) – dieser Satz des Sizilianers Giovanni Verga über die lombardische Metropole traf bereits für das Mittelalter zu. Nachdem zu Beginn des 4. Jahrhunderts v. Chr. sich die Kelten an dem Platz festgesetzt hatten, wurde der Ort ein Jahrhundert später in das vordringende Römische Reich einverleibt. Die Region um Mailand herum, die Lombardei, wurde als Provinz Cisalpina in den römischen Staat einverleibt, Mailand
( Mediolanum
, inmitten der Ebene) wurde ihr Hauptort. Noch lange hat sich die Cisalpina ihren keltischen Charakter bewahrt, nur langsam schritt die Romanisierung voran, erst |50| 49 v. Chr. – dem Jahr, in dem Caesar den Rubikon überschritt und damit den Bürgerkrieg eröffnete – erhielten die Bewohner der Stadt das römische Bürgerrecht.
    Im 4. Jahrhundert residierte in der Stadt der mächtige Erzbischof Ambrosius († 397), der einen großen Einfluss auf die damalige Politik im Römischen Reich besaß; durch seine zahlreichen Schriften, vor allem seine wichtigen Briefe, misst man ihm den Rang eines „Lateini schen Kirchenvaters“ zu. Nach den Wirren der Völkerwanderungszeit, in der Mailand im Reich der Langobarden seine Hauptstadtfunktion in Norditalien an das benachbarte Pavia verlor,

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