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Stadtluft Macht Frei

Stadtluft Macht Frei

Titel: Stadtluft Macht Frei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Schwarz
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übernahmen im 10. Jahrhundert die Erzbischöfe, deren Autorität bereits vorher sehr groß war, auch politisch die Herrschaft über die Stadt – seit den Fünfzigerjahren des 10. Jahrhunderts waren diese Erzbischöfe Lehnsleute des römisch-deutschen Königs, das heißt, sie empfingen durch diesen ihre Legitimation, ihre Berechtigung zur Herrschaft. Bereits 983 kam es zu einem ersten Aufstand der Einwohner der Stadt, der Mailänder Bürger, gegen den damaligen Erzbischof Landulf. Aber noch vermochte sich die traditionelle Macht zu behaupten.
    Die Kommune und
    die „Leute vom Trödelmarkt”
    Die eigentliche Entstehung einer Kommune in Mailand ist im 11. Jahrhundert zu finden. Die Kommunebildung war zumindest anfangs stark religiös geprägt, sie war beeinflusst von der Bewegung der sogenannten Patarener. „Pataria“ war ursprünglich ein Schimpfname; er steht für den Lumpen- und Trödelmarkt der Stadt. Die Patarener kritisierten die Kirche und die in ihnen herrschenden Zustände. Vor allem wandten sie sich gegen die damals bestehende Praxis der „Simonie“, das heißt der Käuflichkeit von kirchlichen Ämtern gegen Geld, und gegen die Priesterehe, den sogenannten „Nikolaitismus“. Dass ein Priester nicht nur eine Konkubine, eine heimliche Beischläferin, hatte, sondern oftmals auch regelrecht und ganz offiziell verheiratet war, war nichts Ungewöhnliches; erst die Kirchenreform des |51| 11. Jahrhunderts sollte sich mit Macht – und am Ende erfolgreich – gegen diese Sitte stellen. Zum Teil mit Gewalt versuchten die Patarener den Mailänder Domklerus, der sich überwiegend aus dem Adel der Stadt und des Umlandes zusammensetzte, in ihrem Sinne zu reformieren. Gegen die Kritik und die Angriffe der Patarener wehrten sich die Bischöfe und der Klerus der Stadt heftig. Die Mailänder Stadtgemeinde, von dieser Bewegung der Patarener beeinflusst und zum Teil getragen, berät gemeinsam. Man bildet ein gemeinsames Gremium, die Volksversammlung. Man beschließt gemeinsam Satzungen, das heißt Vorschriften, in welcher Form die Beratungen abzuhalten sind. An die getroffenen Vereinbarungen bindet man sich durch einen Eid.
    Mit Abweichlern ging man unerbittlich um. Die Gemeinschaft kannte keine Gnade. Wer den Eid brach, wurde in der Regel aus der Gemeinschaft ausgestoßen. Sein Haus wurde bis auf die Grundmauern zerstört, die Trümmer wurden vor die Stadttore getragen – mit solchen Leute wollte die Gemeinschaft nichts mehr zu tun haben. Der Abweichler war ruiniert.
    Aus den gemeinsamen Entscheidungen und den gemeinsamen eidlichen Verpflichtungen entwickelte sich im Laufe des 11. Jahrhunderts langsam etwas Neues: die Kommune. Um 1100 werden erstmals „Konsuln“ genannt, die der Kommune vorstehen – ein stolzer Name nach altrömischem Vorbild. Sprachen diese Konsuln Recht, dann fühlten sich die Bürger zunehmend an ihre Urteile gebunden, auch dann, wenn weder Erzbischof noch König dem zustimmten. Die Kommune war eine demokratische Erscheinung – so weit der Begriff „Demokra tie “ für das Mittelalter überhaupt anwendbar ist. Die Konsuln wurden von den Einwohnern der Stadt Mailand gewählt. Und immer wieder und wieder: der Eid! Im Eid fanden die Bewohner zusammen. Die Einwohnerschaft der Stadt verpflichtete sich eidlich, allen seinen Anweisungen, sofern sie rechtmäßig waren, zu folgen. Die Parole der Kommune lautete: „Frieden und Gerechtigkeit“.
    Manche Beobachter der Zeit verstanden angesichts dieser Ereignisse die Welt nicht mehr. So etwa jener Landulf der Ältere von Mailand, ein glühender Anhänger des alten Glanzes der Mailänder |52| Kirche. Für das Neue, die Kommune unter dem Einfluss der Pataria, hatte er nur Unverständnis und Verachtung übrig. Landulf schreibt:
      Warum haben jene Menschen, die die frohe Botschaft Gottes vergessen hatten, eine abscheuliche Schwureinung mit schrecklichen Eiden beim Volk unter dem Deckmantel des Gottesbundes, welche später Pataria genannt wurde, errichtet? 1
    Die Bildung der Kommune Mailand war zunächst eine reine Erfolgsgeschichte. Immer weiter dehnte die Stadt ihr Territorium aus – oftmals auf Kosten der schwächeren Nachbarstädte wie Lodi und Como, die 1111 bzw. 1127 rücksichtslos zerstört wurden. Erst in den Fünfziger- und Sechzigerjahren des 12. Jahrhunderts sollte jemand kommen, der sich der Stadt entgegenstellte und ihr erbitterter Feind wurde: Kaiser Friedrich Barbarossa.
    Was sich im 11. Jahrhundert in Mailand vollzog, spielte sich

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