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Stadtluft Macht Frei

Stadtluft Macht Frei

Titel: Stadtluft Macht Frei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Schwarz
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Jahr zuvor (1073) in der mittelrheinischen Stadt Worms gekommen war. Damals hatten die Wormser ihren bischöflichen Stadtherrn Adalbert und dessen Ministerialen vertrieben und dafür den von den Sachsen vertriebenen König, eben jenen Heinrich IV., jubelnd in die Stadt eingeholt.
    Heinrich dankte es den „Einwohnern der Stadt Worms“, das heißt vor allem den Kaufleuten mit reichen Privilegien. Der Zoll bei den königlichen Orten Frankfurt, Boppard, Hammerstein, Dortmund, Goslar und Enger wurde ihnen erlassen; die Wormser Kaufleute konnten nun, wenn sie ihre Waren an diesen Orten vorbeiführten, ohne lästige Abgaben ihren Handel betreiben. Königtum und das entstehende städtische Bürgertum, das in Worms wie anderswo vor allem von den
    |55| Die Ministerialen
    Die Ministerialen waren ursprünglich Unfreie, die vom Grundherren zu Hof- und Kriegsdiensten herangezogen wurden. Der sogenannte Herren- und Waffendienst sonderte jedoch die Ministerialen von den übrigen „Hörigen“ auf eine deutliche Weise ab; sie wurden mehr und mehr zu etwas Besonderem. In den Dienst- und Hofrechten des 11. Jahrhunderts, zum Beispiel denen aus Bamberg oder Köln, lässt sich dieser Vorgang auf eine deutliche Weise ablesen. Als Dienstmannen, die ihrem Herrn bewaffneten Schutz boten, traten sie namentlich in geistlichen Herrschaften hervor – wie zum Beispiel in derjenigen der Bischöfe von Worms. Die Familien dieser Ministerialen bildeten ein eigenes Selbstbewusstsein heraus.
    Kaufleuten getragen wurde, suchten und fanden sich hier. Der König war politisch bedrängt, die Sachsen – ein ewiger Unruheherd im Reich der Salier – probten den Aufstand. Die Wormser wiederum wollten ihren bisherigen Stadtherrn, den Bischof loswerden. Eine gefährliche Verbindung aus Sicht der bisherigen bischöflichen Stadtherren zeichnete sich ab. Die Unruhe wuchs. Es gärte in den Städten. Ein Prozess war im Gange, der die bischöfliche Herrschaft abschütteln und den Bürgern zumindest Beteiligung, ja vielleicht sogar die Vorherrschaft bringen sollte.
    Wirtschaftsboom im 11. Jahrhundert –
    auch und gerade in Köln
    Konnte dieser Prozess irgendwo auf fruchtbareren Boden fallen als in Köln? Köln war schon damals die mit Abstand größte Stadt auf deutschem Boden. Sie war ein Treffpunkt der Fernhändler und Kaufleute. Durch sich kreuzende Straßen und vor allem die große Verkehrsader, an der sie lag, den Rhein, konnten Waren aus nah und fern die Märkte und Umschlagplätze der Stadt gut erreichen. Köln war damals eine |56| Stadt im Aufbruch – wohl mehr noch als bei allen anderen „Aufbrü chen “ zuvor, wie etwa demjenigen, der dem Erzbischof Brun zu verdanken war. Die Dynamik des Wirtschaftslebens, welche die gesamte Zeit bestimmte, war allenthalben spürbar. Zu sehen ist sie vor allem in den damaligen Baumaßnahmen in der Stadt. Um Platz für neue Häuser und mehr Lagerräume zu schaffen, schüttete man den alten Römerhafen, gelegen in einem Altwasser hinter der Insel vor der Kirche Groß Sankt Martin, kurzerhand zu. Es war eine äußerst kostspielige Maßnahme, die Unsummen verschlang; der Kölner Stadtsäckel blutete beträchtlich. Doch die Ausgaben lohnten sich. Noch einmal stieg der Handel dadurch ganz erheblich an. Eine ungeheure Vielfalt an Waren der verschiedensten Art wurden jetzt in der Stadt angeboten und verkauft. Nicht mehr nur – wie bislang hauptsächlich – Salz, Metalle und Gewürze, sondern verstärkt auch Wein, Korn, Käse, Fische, Textilien, Pelze und Bienenwachs. Ein regelrechter Wirtschaftsboom war spürbar, der kaum einen Zweig ausließ. Auch alte, aus der Römerzeit stammende Traditionen in der Stadt, etwa die Glasherstellung, waren einbezogen. Aufschwünge über Aufschwünge, auch in der Tuchmacher- und in der Goldschmiedekunst, deren Produkte zu ganz besonderen Kölner „Exportschlagern“ wurden. In Verbindung mit handwerklichem Können und unternehmerischem Weitblick wurde die ganze Region am Niederrhein miteinander verknüpft. In Köln liefen die Fäden zusammen.
    Dennoch: Nicht die Kaufleute, die Fernhändleraristokratie, die für den Aufschwung der Stadt am meisten verantwortlich war, sondern der Erzbischof hatte politisch gesehen das Sagen in der Stadt. Das sollte sich 1074 zeigen. Und doch war jetzt alles ganz anders. Es kam zum Widerstand gegen seine Herrschaft, zur offenen Rebellion.
    Erzbischof – und somit Stadtherr von Köln – war damals Anno II. Er war kein Kölner, sondern stammte aus Schwaben,

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