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Stadtluft Macht Frei

Stadtluft Macht Frei

Titel: Stadtluft Macht Frei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Schwarz
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wurden verrammelt. Arnold, der Erzbischof, sollte für immer draußen bleiben.
    Was Arnold bei all dem am meisten irritierte und verunsicherte, war die Tatsache, dass sich die Empörer in ihrem Tun auf eine kaiserliche Unterstützung beriefen. Die Stadt, so behaupteten sie, sei allein ihrem Herrn, dem Kaiser vorbehalten. Verzweifelt versuchte Arnold zu ergründen, was er sich am kaiserlichen Hofe habe zuschulden kommen lassen, dass der Kaiser sich dazu herabgelassen hatte, die Empörer zu unterstützen. Und er hatte Erfolg. Arnold konnte das Argument vorbringen, dass die Aufständischen den Dom und seine Kirchenschätze geschändet hätten. Die Fürsten im Umfeld des Kaisers stellten sich auf Arnolds Seite. „Tötet sie! Hängt sie auf!“, sollen sie gefordert haben. Die Mainzer sollten – so forderte es jetzt der Kaiser – vollständige |69| Wiedergutmachung leisten, nur dann sehe er eine Chance, weiter als Vermittler zwischen den Parteien aufzutreten. Als Ort der Gespräche wurde das vor den Mauern der Stadt gelegene Kloster St. Jakob festgelegt. Hier sollten die Mainzer endlich „Genugtuung“
( satisfac
tio
) leisten. In letzter Minute drohten die Gespräche an einem Streit über die Frage einer Geiselstellung zu scheitern. Die soziale Stellung der ihm angebotenen Geiseln war Arnold zu gering.
    Das war der entscheidende Moment. Eine rasende Menge stürmte das Jakobskloster, an der Spitze die Meingotsöhne. Rasch brach die Verteidigung des Klosters unter der Übermacht der Angreifer zusammen. Es war ein Inferno. Die ehrwürdigen Klostergebäude gingen in Flammen auf. Durch Feuer und Rauch war Arnold gezwungen, die Klosterkirche zu verlassen. Man erkannte ihn sofort. Durch mehrere Hiebe wurde Arnold niedergestreckt. Der tote Gottesmann wurde ausgeplündert, seiner Kleider, seiner Habe beraubt. Drei Tage lang blieb der nackte Leichnam auf einem Feld oberhalb des Stadtgrabens liegen. Ein Bild des Grauens! Der Hass war nicht zu stillen, auch auf den bereits Toten nicht, denjenigen, der nun nichts mehr tun konnte, der einfach nur nackt auf nackter Erde lag. Mainzer Marktfrauen, die sonst mit ihren Waren friedlich auf den Plätzen der Stadt Handel trieben, kamen gerannt. Nicht nur um zu gaffen. Sie zerschmetterten dem Leichnam mit Steinen die Zähne. Höhnisch fragten die Mainzer den Toten: „Nun – willst Du noch immer meine Güter einziehen?“
    Die Stadt Mainz hatte ihren Bischofsmord. Keinen „Mord im Dom“, wie ein Jahrzehnt später in der englischen Kathedrale Canterbury am dortigen Erzbischof Thomas Becket (1170), sondern einen Mord im Kloster. Keine königlichen Ritter als Täter, sondern Bürger der Stadt. Doch hier wie dort waren die Folgen beträchtlich. Einen Monat nach dem Geschehen sprachen Bischöfe und andere Reichsfürsten, die sich in Erfurt versammelt hatten, die Exkommunikation über die Mainzer aus. Die Mainzer waren nun aus der Kirche ausgeschlossen! Für das eigentliche politische Strafverfahren hingegen war der Kaiser zuständig. 1163 war es soweit. Kaiser Friedrich Barbarossa hielt auf einem Hoftag in der Stadt Gericht. Das kaiserliche Urteil war |70| unerbittlich. Der Kaiser nahm der Bürgerschaft alle Privilegien und ließ die Mauern der Stadt vollständig niederreißen, die Stadt war nun dem Angriff von Feinden schutzlos preisgegeben. Die Hauptverantwortlichen der Empörung wurden verbannt. Zwar konnten die Mainzer die Mauern bereits gegen Ende des 12. Jahrhunderts weitgehend wiedererrichten. Und das Verbannungsurteil gegen die Häupter der Verschwörung kam auch nicht richtig zum Tragen. Entweder hatten diese bereits zuvor die Stadt verlassen oder sie konnten, unbehelligt vom Kaiser, der zu dieser Zeit hauptsächlich damit beschäftigt war, seine Herrschaft über Oberitalien zu etablieren, straflos den Weg nach Mainz zurückfinden und sich in der Stadt wieder einquartieren. Dennoch hatte die Mainzer Freiheitsbewegung unübersehbar einen herben Rückschlag erlitten. Der Mainzer Erzbischof hatte für mehrere Jahrzehnte wieder eine deutliche Vorrangstellung in der Stadt inne.
    Die Entwicklung hin zu mehr städtischer Freiheit, zur Kommune, die an so vielen Orten im Europa der damaligen Zeit spürbar war, sie zeigt an den verschiedenen Orten der Kommunebildung ein jeweils verschiedenes Gesicht. Der Wille war gleich, viele Wege, die genommen wurden, auch, doch die Kräfte, die auf die Freiheitsbewegung einwirkten, waren unterschiedlicher Natur. Unterschiedlich waren auch die Erfolge, die

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