Stadtluft Macht Frei
religiösen oder karitativen Zwecken, hatten sich im Laufe der Zeit politische Standesvertretungen herausgebildet, die für alles Sorge tragen, alles bestimmen wollten, was den jeweiligen Gewerbezweig betraf. In sogenannten Zunfthäusern kamen sie zusammen.
Die älteste Kölner Bruderschaft, von der wir wissen, sind die 1149 erstmals erwähnten „Bettzeugweber“. Sie gingen später ein in die große Weberzunft, die mitgliederstärkste und angesehenste Kölner Zunft. Köln – die Stadt der Tuche, das berühmte „Kölnische Tuch“, das wichtigste Handelsgut der Metropole am Rhein überhaupt! Wie sollte man jene, die dieses herstellten, nicht an der Macht beteiligen? Und die Zünfte vermehrten sich, verbündeten sich auch untereinander. Mit den berühmten Kölner „Gaffeln“, einer Vereinigung von Fernhandelskaufleuten, trat in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine weitere soziale Gruppierung auf, die, wie die bereits bestehenden Zünfte, politische Mitbestimmungsrechte forderte.
Bürgerkämpfe, nicht nur in Köln
Wir wechseln für einen kurzen Moment den Schauplatz. Es war in der alten Stadt Augsburg am Lech, an einem Oktobertag des Jahres 1368 – kurz vor einer Zeitenwende, einer, die jeder kennt. Ein Jahr zuvor war – wie der Rechnungsschreiber im Steuerbuch der Stadt vermeldet – ein Hans Fugger in der Stadt angekommen, und ein Jahrhundert später |77| sollte diese Kaufmannsdynastie die führende Rolle in der Stadt einnehmen und von hier aus ihr weit ausgreifendes Wirtschaftsimperium lenken. Doch noch war es nicht soweit. Noch befand man sich im Augsburg jener Tage am Vorabend der großen Fuggerzeit.
Eine große Versammlung Bewaffneter zog an jenem Oktobertag vor das Rathaus der Stadt. Keine Zusammenrottung von Chaoten oder ein wilder Haufen, sondern ein gut organisiertes militärisches Kontingent, stolz und selbstbewusst. Die Forderung war eindeutig: Beteiligung der gesamten Augsburger Bürgerschaft an der Politik der Stadt! Ende der Vorherrschaft des Patriziats! Angeführt wurde die Gruppe von Handwerkern der Stadt, von ihren Wortführern kennen wir sogar die Namen. Dabei waren etwa der Weber Hans Weiß, der Bäcker Heinrich Burtenbach oder der Kürschner Heinrich Weiß. Sie waren keine unbekannten Größen. Sie sind mehrfach im Großen Rat der Stadt bezeugt und hatten dort wichtige politische Ämter inne. Vermutlich ihrem Verhandlungsgeschick und ihrem Ansehen, das sie auch auf der Gegenseite besaßen, ist es zu verdanken, dass die ganze Erhebung unblutig verlief. Und das, obwohl die Versammelten mit aller Entschiedenheit die Herausgabe der traditionellen Herrschaftssymbole des Rates verlangten:
Wir wollen Recht tun und eine gute Ordnung setzen! Wir wollen einen guten Frieden machen, mit Hilfe Gottes und aller frommen Menschen. Wir wollen alle dazu die Stadtbücher und alle Freiheitsbriefe, die Siegel der Stadt sowie alle Schlüssel zu den Toren und die Schlüssel zu der Sturmglocke in unseren Besitz nehmen! 1
Die Schlüssel der Tore verschafften den Zugang zur Stadt. Die Schlüssel zur Sturmglocke hingegen verschafften die Möglichkeit, die Bürgerschaft zusammenzurufen, sie zur bewaffneten Miliz zu formen – zur Verteidigung oder zum Angriff. Die Symbolsprache war eindeutig. Wer diese Schlüssel herausgab, der hatte die Macht in einer Stadt verloren! Und so geschah es zunächst auch. Die politische Veränderung, die dieser Tag brachte, wurde niedergeschrieben in einer Vergleichsurkunde |79| vom November des Jahres, dem sogenannten „ersten Zunftbrief“. Der Zunftbrief bestätigte, dass man in Augsburg über das Bestehen einer Zunft und all das, was zu einer Zunft gehöre, übereingekommen sei. Die Zunftverfassung sollte unangreifbar sein. Wer gegen sie arbeitete oder dazu Beihilfe leistete, dem drohte die Acht, die Verbannung aus der Stadt. Kein Gebot von Kaiser, König oder Bischof sollte sie zunichte machen.
Die genaue Aufteilung der Macht in der Stadt wurde in einem „zweiten Zunftbrief“ vom Dezember des Jahres festgelegt. Die neue Verfassung Augsburgs verkündete, dass aus allen „Handwerken“ der Stadt 18 Zünfte gemacht worden seien. Jede dieser Zünfte sollte einen „Zunftmeister“ haben und in den Rat entsenden dürfen. Die großen Zünfte sollten zwei Vertreter erhalten. Die kleinen Zünfte aber ohne eigenen Zunftmeister sollten sich an eine der 18 anschließen. Insgesamt sollen diese jetzt 29 Ratsglieder stellen, die sich wiederum noch 15
ratgeben
aus den
Weitere Kostenlose Bücher