Stadtluft Macht Frei
Bruderschaft, das heißt also eigentlich eine religiöse Vereinigung der Reichen gegründet, die „Richerzeche“. Ihr Name war wohl ursprünglich ein reiner Spottbegriff, der jedoch dann von der Bruderschaft selbst übernommen wurde. Die Richerzeche bildete sich aus den Führungsleuten der reichsten und vornehmsten Männer der Stadt. Die Richerzeche hatte – wie jede andere Bruderschaft auch – eigene Vorsteher, die magistri civium (Bürger- meister); im jährlichen Wechsel wurde dieses Amt von zwei Bruderschaftsmitgliedern ausgeübt, und nach dem Ende ihrer Amtszeit wurden die „Bürgermeister“ in den Vorstand der Bruderschaft aufgenommen. Einer dieser Bürgermeister gehörte in der Regel auch dem städtischen Schöffenkolleg an, und überhaupt besaßen sie dezidiert gesamtstädtische Funktionen, wie vor allem das Recht der Siegelführung zeigt. Die Macht der Richerzeche war jedoch immer eher informell; eine städtische Behörde im engeren Sinne ist sie nie gewesen.
Der Rat einer Stadt wurde, je länger das Mittelalter dauerte, zu einem komplexen System mit stark verschalteten Machtstrukturen. Vielfach wurde die große Politik einer Stadt gar nicht mehr im Rat selbst, sondern nur in bestimmten Ausschüssen des Rates gemacht. Diese wurden in der Regel einfach nur nach der Zahl ihrer Mitglieder benannt, etwa „Fünfer“, „Siebener“, „Neuner“ usw. In der Stadt Augsburg etwa entwickelte sich im ausgehenden Mittelalter der „Dreizehner“, dessen Mitglieder über wichtige Informationsvorsprünge und eine besonders hohe Sachkompetenz verfügten, zum entscheidenden politischen Führungsgremium der Stadt. In der Lechstadt kommt die Praxis auf, Inhaber wichtiger Ratsämter (etwa den Stadtpfleger, den Baumeister oder den Siegler) in die „Dreizehner“ zu |75| wählen; durch ihr Amt also wurden diese Personen zu Mitgliedern dieses Ausschusses.
Patrizier – Die städtische Oberschicht
Wir nennen sie Patrizier: die städtische Oberschicht. Es gab sie, in unterschiedlichen Abstufungen gewiss, mit Öffnungen und Bewegungen nach unten hin, in allen Städten – auch in Köln. Ein Kreis von etwa 15 Familien stellte der Stadt Köln im 13. Jahrhundert diese Oberschicht. Wir kennen ihre Namen: die Scherfgin, die von Hort, die Aducht, die Spiegel, die Jude, die Lsykirchen, die Gryne, die Birkelin, die Quattermatt, die Mommersloch, die Kliengedank, die Gyr, die Hirzelin, die Hardefust, vor allem aber die Overstolz, deren Name hergeleitet ist von „Überstolz“ – und insofern schon Programm ist.
Die Kölner Patrizier fühlten sich, sie gerierten sich wie Adelige. Sie besaßen reichen Grundbesitz in der Stadt, aber auch auf dem Land. Ihre Wohnsitze fielen auf – jedem der nach Köln kam: Es waren burgähnliche, von Mauern umschlossene Häuser, die von ihrer Macht und ihrem Reichtum kündeten. Am eindrucksvollen Overstolzenhaus lässt sich das noch heute sehen.
Die führenden Vertreter dieser Geschlechter bildeten nicht nur die legendäre „Richerzeche“, sie bestellten auch den Rat, jenes Gremium, das seit seiner erstmaligen Erwähnung 1216 immer mehr die städtischen Belange kontrollierte. 15Angehörige zählte der Kölner Rat im 13. Jahrhundert. Sie gehörten ausnahmslos diesen großen Geschlechtern an.
Der Rat einer mittelalterlichen Stadt war kein statisches Gebilde. Es gab so gut wie keinen Stillstand, nahezu unaufhörlich wandelte er sich. Der Rat einer mittelalterlichen Stadt stand unter einem gewaltigen Druck – auch andere Familien, solche nichtpatrizischer Herkunft, drängten in ihn hinein. In Köln wurde diesem Druck durch Bildung eines „weiten Rates“ stattgegeben, der erstmals 1321 erwähnt ist. Vor allem wohlhabende Kaufleute und Händler saßen jetzt in diesem „wei ten Rat“, der insgesamt 82 Mitglieder umfasste. Der ursprüngliche |76| Rat, den allein die patrizischen Geschlechter gebildet hatten, wurde zum „engen Rat“.
Auch nach der Einrichtung eines „weiten Rates“ war die große Masse der Kölner Bevölkerung noch immer von der Politik ausgeschlossen. Handwerker und Gewerbetreibende, Gesellen, Mägde, Knechte, Hilfs- und Gelegenheitsarbeiter – sie alle sollten keinen Einfluss auf die Politik, auf die Geschicke ihrer Stadt nehmen dürfen? Die Keimzelle der künftigen Beteiligung waren die Zünfte. Wie die vornehme „Richerzeche“ waren auch die Zünfte, die man in Köln „Ämter“ nannte, ursprünglich Bruderschaften gewesen. Aus diesen Bruderschaften aber, gewidmet
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