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Stadtluft Macht Frei

Stadtluft Macht Frei

Titel: Stadtluft Macht Frei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Schwarz
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eben auch Bürger
( cives )
. Man bezeichnet dieses Gremium heute als „Bischofsrat“ – der Begriff spricht für sich. Der Bischof, das heißt der Mainzer Erzbischof, hatte zwar das Sagen, er gab den Ton; doch ihm zur Seite standen beratend, helfend, unterstützend, intervenierend auch andere soziale Gruppen der Stadt. Damit war es mit dem Mord an Arnold von Selenhofen 1160 zunächst einmal aus und vorbei.
    Was war hier geschehen? 1153 war Arnold aufgrund maßgeblicher Unterstützung des römisch-deutschen Königs Friedrich Barbarossa auf den Stuhl des Mainzer Erzbistums gekommen: nicht irgendein Erzbistum, sondern das traditionsreichste deutsche Bistum überhaupt, dessen Anfänge in der Zeit des hl. Bonifatius liegen. Die Regentschaft Arnolds in Mainz war von Anfang an schwierig. Arnold entstammte |67| einem Ministerialengeschlecht, das sich nach der Mainzer Vorstadt Selenhofen nannte. Die Ministerialen waren in der damaligen Zeit immer noch Newcomer. Ein Angehöriger eines Ministerialengeschlechts als Bischof – das hatte es in Mainz bis dahin noch nicht gegeben. Die Umschichtungen der entscheidenden Machtpositionen im Umfeld des Bischofs taten ein Übriges. Der bisherige Schultheiß Hartwig und der Vitztum (von lat.
vicedominus
= oberster Beamter des Erzstiftes) Meingot mussten abtreten, an ihre Stelle traten nun Verwandte Arnolds. Vor allem die Meingot-Sippe, die im Mainz jener Tage die angesehenste und mächtigste Familie war, fühlte sich düpiert. Von Anfang an hatte Arnold von daher in Mainz keinen leichten Stand. Er war gewissermaßen umstritten vom ersten Tag an, wozu offensichtlich auch in nicht unerheblichem Maße beitrug, dass Arnold in seiner erzbischöflichen Position versuchte, persönliche Abhängigkeit und alte Abgabenverpflichtungen, derer sich die Städter inzwischen entledigt glaubten, wieder geltend zu machen.
    Zwar gelang es Arnold in der Folgezeit mit Hilfe Friedrichs – der 1155 zum Kaiser gekrönt worden war – seine Position zu stabilisieren. Doch als der Erzbischof versuchte, für seine Beteiligung am großen Italienzug des Kaisers 1158 in Mainz eine Heersteuer zu erheben, formierte sich der Widerstand. Die Mainzer beriefen sich auf alte Urkunden, auf das große Freiheitsprivileg aus der Zeit Erzbischof Adalberts I. vom Anfang des Jahrhunderts – und zunächst scheinbar mit Erfolg. Der Erzbischof zog nach Italien ab, beschwerte sich aber über das Verhalten der Mainzer beim kaiserlichen Gericht, und das Gericht gab ihm Recht. Aus Italien wieder zurückgekehrt, sah sich Arnold mit einer Verschwörung konfrontiert, die ganz verschiedene Gruppen der Mainzer Bevölkerung umfasste. An der Spitze der Verschwörer standen die Söhne des 1153 entmachteten Meingot. Daneben ist der Dompropst Hartmann ausfindig zu machen, der Abt des vor den Mauern der Stadt gelegenen Klosters St. Jakob, Arnold der Rote und Werner von Bolanden. Das verbindende Element der Verschwörer war jedoch, dass sie fast allesamt verwandtschaftliche Verbindungen zur Meingot-Sippe unterhielten, und so erscheinen die |68| Konflikte in der Stadt Mainz dieser Tage wie eine Fehde zwischen zwei miteinander rivalisierenden Familienclans: auf der einen Seite die Selenhofener, auf der anderen die Meingots. Die Verschwörer um die Meingot-Sippe hatten ein großes gemeinsames Ziel, das über die Kritik an Arnold hinausging. Sie forderten eine Beteiligung an der Macht in der Stadt, ja sie fühlten sich als „die“ Stadt, als das „Bistum“. In programmatischer Sprache gaben sie ihrem Verlangen Ausdruck: „Wir sind die Stadt. Wir sind das Bistum. Wir sind in allen Dingen alles in der Stadt.“ 7
    Arnold reagierte mit aller Härte, er hatte den Ernst der Lage erkannt. Er verbannte die Verschwörer aus der Stadt. Doch auch die Verschwörer verfügten – ähnlich wie Arnold – über gute Verbindungen zum kaiserlichen Hof, und einer der ihren, der Reichsministeriale Werner von Bolanden, erfreute sich sogar höchster kaiserlicher Gunst. Ausgestattet mit einem Schreiben Friedrich Barbarossas, waren sie schon bald darauf in der Lage, nach Mainz zurückzukehren. Sie ließen von ihrer Opposition gegen den Erzbischof nicht ab. Als Arnold die Stadt kurzzeitig verlassen hatte, glaubten sie, dass ihre Stunde gekommen sei. Zusammen mit der Stadtbevölkerung entfachten sie einen Sturm der Empörung gegen die erzbischöfliche Herrschaft. Es kam zu Übergriffen auf den Dom und auf den Palast, in dem Arnold residierte. Die Tore der Stadt

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