Stadtluft Macht Frei
es die Augsburger Chronistik rückblickend gemeint, und damit wohl nur wenig übertrieben. Die Herrschaft des Ulrich Schwarz war im Grunde eine Diktatur, man könnte auch sagen – und damit sind wir beim Thema – eine Tyrannei. Dabei hatte alles relativ harmlos angefangen. Der 1422 geborene Schwarz entstammte einer Zimmermannsfamilie, die um 1400 in die Lechstadt eingewandert war, der Abkömmling von Neubürgern also. Ab 1459 war Schwarz zunächst Ratsherr der Zimmerleutezunft. 1467 ist er in den Führungszirkel der „Dreizehner“ gelangt, und hier begann |87| sich seine Stellung zu verfestigen. Siebenmal ist Schwarz seit 1469 in das Amt des Stadtpflegers gewählt worden.
Bedingt durch die schwere soziale Krise, welche die Stadt in den Fünfziger- und Sechzigerjahren prägte und die das Vertrauen der Bürger in die Kaufmannsoligarchie scheinbar restlos zerstört haben muss, stieg Schwarz zur zentralen Figur der Augsburger Politik auf. Schwarz galt als eine Art Hoffnungsträger. Er gab nun den Ton an; die Quellen lassen darüber keinen Zweifel. „Was er wollte, das geschah auch“, so berichtet es der Augsburger Geschichtsschreiber Hektor Mülich. 1476 schied Schwarz nicht (wie es eigentlich turnusgemäß vorgeschrieben war) aus dem Amt des Stadtpflegers aus. Zum anderen wurde der Ratsausschuss der „Dreizehner“ durch einen „Zunft meisterausschuss “ (Achtzehner) ersetzt. Schwarz griff nach der unumschränkten Macht.
Doch ein Jahr nach dem
fait accompli
1476 überspannte Schwarz den Bogen. Er ging zu weit. Im Frühjahr 1477 kehrten die Brüder Hans und Leonhard Vittel von einer Gesandtschaftsreise an den Hof Kaiser Friedrichs III. nach Augsburg zurück. Die beiden Brüder entstammten einer wohlhabenden Familie, die eng an das städtische Patriziertum herangerückt war. Vor allem Hans hatte rasch Karriere gemacht. Seit 1459 im Rat bezeugt, zählte er spätestens ab 1466 zum engeren Führungszirkel dieses Gremiums. 1468 wurde er zum ersten Mal zum Bürgermeister gewählt. Weitere Ernennungen folgten, und sein Einfluss ließ sich, so sehr Schwarz und seine Anhänger dies auch versuchten, nicht zurückdrängen. Vittels Funktion als besoldeter städtischer Gesandter ist in der Tat wohl dadurch zu erklären, dass auf diese, sicherlich höchst geschickte Weise versucht wurde, ihn „wegzuloben“, ihn aus der aktiven städtischen Politik zu entfernen.
Im Rahmen der Gesandtschaftsreise des Jahres 1477 an den Hof Kaiser Friedrichs III., die er zusammen mit seinem Bruder Leonhard unternahm, ist es auch zu einer persönlichen Begegnung mit dem damaligen Herrscher des römisch-deutschen Reiches gekommen. Im vertraulichen Gespräch wünschte der Kaiser über die aktuelle politische Situation in der Lechstadt unterrichtet zu werden. Zurück in Augsburg, |88| erstattete Vittel vor dem Rat Bericht über seine Mission. Die Atmosphäre im Rat war von Argwohn und Misstrauen geprägt. Er wurde vor die Frage gestellt, ob er den zünftischen Rat im Gespräch mit dem Kaiser in irgendeiner Weise diskreditiert habe. Vittel bestritt dies. Er lehnte es jedoch ab, seine Aussage, die auf nur wenig Glauben zu stoßen schien, zu beeiden. Damit war sein Schicksal sowie das seines Bruders Leonhard so gut wie besiegelt. Zusammen wurden sie in Haft genommen. Zwar wandte sich die Familie Vittel unmittelbar nach der Verhaftung der beiden an den Kaiser, und dieser erließ sofort einen scharfen Befehl, nichts gegen das Brüderpaar zu unternehmen. Doch um wenige Tage zu spät traf dieses Mandat in Augsburg ein, um noch etwas gegen die Todesurteile und deren rasche Vollstreckung ausrichten zu können. Im April 1477 starben die beiden Vittel unter dem Schwert des Henkers. Die Anteilnahme der Bevölkerung war groß. In einem gemeinsamen Grab wurden die Brüder bestattet.
In dieser politisch höchst angespannten Situation hat Kaiser Friedrich III. jeglichen Kontakt mit der Stadt abgebrochen. Der Kaiser begann damit, für die Verhaftung, Verurteilung und Hinrichtung des Ulrich Schwarz planmäßig Vorkehrungen zu treffen. Der mit der Klärung des Falles beauftragte kaiserliche Landvogt ließ Schwarz verhaften. Der Allgewaltige war erledigt, politisch bereits tot. Das Ende ist bekannt: der Prozess vor dem Rat und der Tod am Galgen. Eine Ära in Augsburg war zu Ende gegangen, die Angst und Schrecken verbreitet hatte, die Ära des Ulrich Schwarz.
Einen Ulrich Schwarz hat es nicht nur in Augsburg gegeben. In anderen Städten hatte er einfach einen
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