Stadtluft Macht Frei
dem Heiligen Vater bei der Messe das Wasser reichen durften und von ihm die Sakramente empfingen. Das Leben des Niklas Muffel war ein Leben voller Ruhm, Glanz und Reichtum.
|84| Doch in den Sechzigerjahren kamen die Neider und Feinde. Sie kamen nicht von unten, aus tieferen sozialen Schichten der Stadt, sondern aus den eigenen Reihen, zum Teil auch aus seiner Verwandtschaft. Der Vorwurf lautete: Muffel habe sich unrechtmäßig bereichert! Er habe sich an Geldern aus der Nürnberger Staatskasse vergriffen und Ratsgeheimnisse an den Abt des Klosters St. Egidien verraten. Das reichte aus, um ihm den Prozess zu machen. Das Urteil stand fest – schon bevor die Daumenschrauben angezogen wurden, bevor Blöcke und Seile im eiskalten Verlies ihre Wirkung nicht verfehlten. Im Februar 1469 wurde Muffel in den Kerker geworfen, in des
reichs vancknuss
. Vom 16. bis zum 23. des Monats wurde er „pein lich “ |85| verhört, das heißt, er wurde auch gefoltert, wie das Protokoll über Muffels Aussage eindeutig verrät, denn es unterscheidet zwischen „ohne Folter“
( sine tortura
) und „nach der Folter“
( post torturam
). Unter der Folter brach Muffel zusammen. Er gestand den ihm zur Last gelegten Diebstahl. Seine spätere Widerrufung nützte ihm nichts mehr. Nur zwölf Tage nach Prozessbeginn wurde Muffel hingerichtet, draußen, vor den Toren der Stadt, dort, wo die dafür bestimmte Stätte war.
Er wurde vor Gericht gestellt und des Diebstahls angeklagt. Deswegen wurde er zum Galgen verurteilt. Er wurde – wie es seit altersBrauch war – hinaus zu der dazu bestimmten Stätte geführt, wo alle diese Übeltäter, auch die Wohlhabenden sowie diejenigen, die sich kaiserlicher Gunst erfreuen, am Galgen mit dem Strang vom Leben zum Tode gebracht werden. 3
Das Ende Muffels ließ in Nürnberg die Wellen hochschlagen. Bewegt waren aber auch die Menschen über die engeren Grenzen der Stadt hinaus. Selbst in Onolzbach, am Hof des ansbachischen Markgrafen Albrecht Achilles, der einer der entschiedenen Gegner der Stadt Nürnberg im fränkischen Raum war, dichtete man Lieder über Muffels Tod. Das Ereignis entfachte Emotionen, wie man sie lange nicht gekannt hatte. Man sparte nicht an großen Worten: „Das Nuremberg hat sein Lob verloren“ – so schrieb der Spruchdichter Heinz Übertwerch, kein versponnener Literat, sondern wohlinformierter Intimus von Ratsmitgliedern. Er kannte die mächtigen Ratsherren genau. Für ihn war klar: Muffel war durch ein Komplott des Rates gestürzt worden. Sein Ende am Galgen war ein politischer Mord, nichts weiter. Andere Zeitgenossen haben es ähnlich gesehen.
Was war in Nürnberg geschehen? Hatte der Vorwurf eines Diebstahls von 1000 Gulden aus der Staatskasse, dazu das Ausplaudern einiger Interna, zu diesem Ende ausgereicht? Wohl kaum. Die Gründe sind anderswo zu suchen. Hart hatte sich Muffel in Nürnberg eine alles überragende Stellung erarbeitet, in jahrelanger diplomatischer Tätigkeit. Niemals hatte er sich geschont. Alles hatte er in seine Arbeit |86| gesteckt, sein Privatleben geopfert. Als Ergebnis diese Arbeit erwartete er nun eine „Belohnung“. Aber sie kam nicht. Was kam, war etwas anderes. Der Hass, das Misstrauen und der Argwohn der patrizischen Geschlechter Nürnbergs, die fürchteten, dass hier einer zu mächtig werden, das System des Nürnberger Staates bedrohen könnte.
Tyrannei und Diktatur –
Spätmittelalterliche Stadt-Tyrannen
Kamen Große in einer Stadt zu Fall, nachdem sie zuvor nicht nur einfach reich und mächtig waren, sondern in ihrer Person, ihrer Herrschaft auch Angst und Schrecken verbreitet haben, so reden wir von einer regelrechten Tyrannei, von spätmittelalterlichen Stadt-Tyrannen. Einer davon war der Augsburger Zunftbürgermeister Ulrich Schwarz. Am 18. April 1478 starb Schwarz in der Stadt Augsburg am Galgen. Der Rat der Stadt hatte ihn zum Tod verurteilt und nach kurzem Prozess hinrichten lassen. Noch 14 Tage lang blieb sein Leichnam am Hochgericht hängen, unbarmherzig dem Wind und dem Wetter überlassen, zur Abschreckung aller. Man muss es so sagen: Schwarz war verhasst. Die Geschichtsschreiber der Stadt haben sein schreckliches Ende in allen Einzelheiten ausgekostet, ja zum Teil sogar unverhohlen bejubelt.
Noch kurz zuvor hatte Schwarz die Politik der Stadt nach Belieben beherrscht. Einer, der sich aussuchen konnte, was er wollte. Dem jeder gehorchte, auch seine Feinde. „Keiner in Augsburg ist jemals so mächtig gewesen wie er“ – so hat
Weitere Kostenlose Bücher