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Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben

Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben

Titel: Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Barbara und Trippel Schaefer
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wenngleich verbesserungswürdig. Die Stadt an sich ist großzügig. Sie nimmt auf, wer anklopft und Herberge sucht. Sie schluckt die Ankömmlinge, manche Unterschiede werden kleiner, weil ja alle nebenan ebenfalls unterschiedlich sind. Städter haben die unterschiedlichsten Biografien, die einen sind Professorinnen, die anderen Praktikanten, Tür an Tür wohnen Rentner, Familien, Blonde, Sportliche, Sprayer, Hagere, ICE -Schaffner, Dicke, Lehrerinnen. Und das Ganze bildet nicht Sodom und Gomorrha, sondern wird gebildet von Äpfeln und Birnen, die man nicht miteinander vergleichen muss, die einfach zusammen in einem Korb liegen.
    Deutsche Großstädte
    Als angenehm wird das gastronomische Multikulturelle empfunden, Städter schätzen das bunte Speisenangebot. Heute finden wir in jedem Stadtsupermarkt Basilikum und Zucchini, gefühlte zwanzig Pastasorten, Couscous und Parmesan. Für mich sind diese Speisen mein täglich Brot; ich kann mir gar nicht mehr vorstellen, wie man ohne Olivenöl und Balsamessig, ohne Baguette und Mozzarella den Alltag überstehen kann. Und selbstverständlich brauche ich auch weiterhin meine regelmäßige Dosis Kartoffelsalat mit Gurke.
    Wenn wir mittags vor die Türe treten, entspinnt sich jedes Mal die gleiche Diskussion unter uns Kollegen: Was wollen wir essen? – Ich hätt mal wieder Lust auf Falafel. – Nö, beim Schawarmamann war ich gestern, mir wäre nach Pasta bei Olmo. – Das ist immer so viel, können wir nicht einfach ein Stück Pizza auf die Hand? – Ach, lasst uns doch mal wieder was Asiatisches … – Au ja, zu Mr. No. – Nein, da gehe ich nicht hin, wie wäre es mit Miss Saigon? Und vor dem jeweiligen Auge taucht eine zarte Sommerrolle, gefüllt mit Minze und Krabben auf, ein höllenscharfer Döner, eine krosse Pizza aus der Hand, eine sahnige Schüssel Pasta … Dabei haben wir nicht vor, uns weit vom Büro fortzubewegen. Für all diese Mittagstische müssen wir Großstädter nicht einmal aufs Fahrrad steigen. Und es wurden hier noch nicht alle Möglichkeiten diskutiert. Es gibt noch die Curry-eintöpfe in der »GerüchteKüche«, Deftiges in der »Roten Harfe« oder Kuchen bei den beiden feschen Türkinnen in der Chocolateria »Sünde«. Aber da trinken wir ohnehin unseren Espresso, bevor wir weiterschreiben. Für uns ist diese kulturelle Mischung Alltag, zu der genauso die Schwäbinnen, Essener, Schweizer, Amerikanerinnen und Hamburger unseres Medienbüros zählen, die zwischen den Restauranttischen mäandern.
    Und auch in den Stadtparks Deutschlands kommt es zu Fraternisierungen, wie die Marxloher Autorin Hatice Akyün beobachtete. Es sei noch nicht lange her, so schreibt sie, dass die Biodeutschen über türkische Gastarbeiter die Nase rümpften, die mit ihren Familien im Sommer die Parks belagerten »und mit einer Gelassenheit grillten, als befänden sie sich an einer offenen Feuerstelle im anatolischen Hinterland«. Lange habe es nicht gedauert, bis auch deutsche Arbeiter und Akademiker sich vor ihren Gartenlauben versammelten und einen Grill aufstellten. »Plötzlich tauschten ihre Frauen Marinaderezepte aus, und Klassenunterschiede konnte man nur noch daran erkennen, ob das Fleisch beim Metzger des Vertrauens oder im Supermarkt gekauft worden war.«
    Die kulturelle Mischung in den Städten ist keine Erfindung der Neuzeit.
    ■ Hamburgs Blondschöpfe bekamen im 16. Jahrhundert Zuwachs von Portugiesen; die natio lusitana umfasste etwa 600 Einwohner, ganz schön viele für die damals 30000 Einwohner zählende Stadt. Hundert Jahre später wanderten massiert Holländer an die Elbe ein, und heute leben wieder rund 7000 Menschen portugiesischer Abstammung in Hamburg. Sie oder ihre Eltern kamen in den 1970er-Jahren in das Quartier in der Nähe des Hafens.
    ■ Köln wurde als römische Kolonie gegründet, um 455 eroberten die Franken die Stadt; die romanische Bevölkerung lebte lange mit den fränkischen Eroberern dort zusammen. Seit 2010 ist Köln Deutschlands viertgrößte Stadt mit rund einer Million Einwohnern, davon rund 20000 Italiener. Anders als die anderen Kölner, die ja irgendwie auch von den Römern abstammen, kamen diese erst im 20. Jahrhundert von südlich der Alpen.
    ■ Berlins Bevölkerung zieht auch nicht erst seit dem 20. Jahrhundert so bunt durch die Straßen der Stadt. Italiener lebten schon am preußischen Hof, von Architekten über Sängerinnen bis zu Drehorgelbauern. Auch Türken kamen schon im frühen 19. Jahrhundert an die Spree, als Händler

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