Stadtlust - vom Glueck, in der Großstadt zu leben
Duisburg-Marxloh. Und ihre Mutter machte kurzen Prozess mit dem Rosengarten des Vormieters – der wurde zum Gemüsebeet. Wer braucht Rosen, wenn man genauso gut Tomaten, Auberginen und Paprika anpflanzen kann?
Nicht nur kulinarisch, auch kulturell brachten die Menschen aus dem Süden viel Neues in unser Leben. Olaf Sundermeyer schreibt in seinem Buch Der Pott: Die traditionelle Zuwanderung sei »ein Glück, das man nur noch als solches erkennen müsste«. Darum, und wie das Zusammenleben in der Großstadt Toleranz lehren kann, soll es in diesem Kapitel gehen.
Die urbane Spezies ist multiethnisch
Weil Menschen nach Glück streben und Glück manchmal schlicht damit anfängt, eine Arbeit zu finden, machen Menschen sich auf den Weg und ziehen von den Dörfern in die Städte. Dort kann sich die Hoffnung auf ein besseres Leben eher erfüllen. Sie ziehen vom Hof im Bayerischen Wald nach München, vom anatolischen Acker nach Istanbul, vom chinesischen Hinterland nach Schanghai. Und weil seit dem 20. Jahrhundert Ländergrenzen eine geringere Rolle spielen als früher, hat eine moderne Völkerwanderung begonnen; die große, endgültige Verschiebung vom Landleben weg in die Städte, wie der kanadische Journalist Doug Saunders in seinem klugen Buch über die »Arrival City«, die Ankunftsstädte, schreibt. Gegen Ende dieses Jahrhunderts wird die Menschheit eine »ganz und gar urbane Spezies sein«. Dieser umfassende und unumkehrbare gesellschaftliche Umbruch hin zum Stadtbewohner geht mit Multiethnizität einher. Für immer werden von nun an große Städte von Menschen unterschiedlicher Herkunft bewohnt sein. Das ist kein Horrorszenario, das ist schlicht die Zukunft des Homo sapiens .
Wer sich schon die Frage gestellt hat, warum in Städten eigentlich so viele Ausländer leben, wird die einfache Antwort schnell gefunden haben: weil Städte Menschen anziehen und nur diese Ansammlung von Menschen dann wiederum Städte bildet. Städte sind entstanden aus Dörfern, aus Siedlungen rund um Burganlagen, aus Straßenkreuzungen. Durchreisende sind geblieben, weil sie hier Arbeit, Zerstreuung, Liebe fanden, oder Fremde sind aus genau diesem Grund eigens hierhergezogen. Mit der Industrialisierung im Verlauf des 19. Jahrhunderts explodierten europäische Städte geradezu. London wuchs um 340, Wien um 490, Köln um 500 und Berlin um 870 Prozent. Die paar Türken, Jugoslawen und Italiener, die ab den 1960er-Jahren in deutsche Städte zogen, sind dagegen statistisch fast irrelevant.
Deutschland hat ab den 1960er-Jahren händeringend nach Arbeitskräften gesucht, hat Anwerbeverträge mit Ländern im Süden ausgehandelt und die Ankömmlinge mit Blumen begrüßt. Armando Rodrigues aus Portugal bekam 1964 bei seiner Ankunft in Köln gar ein Moped geschenkt – als millionster Gastarbeiter. Die Männer aus dem Süden kamen in die Industriestandorte, man schaffte beim Daimler, arbeitete bei VW oder fuhr in die Zechen.
Jahrzehntelang hat Deutschland aber gedacht, das sei ein vorübergehender Zustand. Das war ein Irrtum. »Unser Land ist ein Einwandererland geworden«, sagte Bundespräsident Joachim Gauck im Sommer 2012. Eine späte Erkenntnis. Ende 2011 lebten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes knapp sieben Millionen Ausländer in Deutschland, also Menschen ohne deutschen Pass. Etwa jeder fünfte von ihnen ist in der Bundesrepublik geboren. Insgesamt hatten 2009 etwa 15,7 Millionen Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund, sie stammen also ganz oder teilweise von Einwanderern ab. Alte Begriffe wie Gastarbeiter, Ausländer, Migranten sind heute überholt. Denn manche haben einen deutschen Pass, andere sind Spätaussiedler, wieder andere Nachkommen von Zuzüglern. Deswegen bevorzugen Soziologen mittlerweile die Bezeichnung ethnische Minderheiten.
Die echte deutsche Küche
Die deutsche Küche ist nichts als ein Eintopf, ein Meltingpot all der Einflüsse, die Einwanderer seit Jahrhunderten nach Mitteleuropa brachten und bringen. Auch manches, was heute als deutsche Hausmannskost erscheint, kam von weiter her. Knödel aus Böhmen, Königsberger Klopse, der Döner, die Pizza, Nudelgerichte, von der Beilage aufgestiegen zum Hauptgang. Und Gewürze: Noch vor dreißig Jahren führten nur Feinkostläden Basilikum, heute gibt es das Kraut beim Discounter. In Norddeutschland werden Schwarztee und Grog getrunken – bei den Engländern abgeschaut. Von den Holländern kommt die Ei-Butter-Sauce (Sauce hollandaise). Viele Süßspeisen
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